Bild nicht mehr verfügbar.

Minister Morawiecki, Regierungschef.

Foto: Reuters/Kaminski

Warschau – Gleich mehrmals legte Polens neuer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki im Warschauer Präsidentenpalast den Amtseid ab: Als eine Art Superminister wird der Nationalkonservative neben dem neuen Posten als Regierungschef weiterhin für Finanzen und wirtschaftliche Entwicklung zuständig sein. Am Montag vereidigte Präsident Andrzej Duda sein neues Kabinett.

Es sei die "neue alte Regierung", kommentierten polnische Medien die Zeremonie. Denn Morawiecki setzt vorerst die Arbeit mit allen Ministern seiner Vorgängerin Beata Szydło fort, die er in der vergangenen Woche auswechselte. Personalwechsel in den Ministerien kündigte er für 2018 an.

Kein echter Machtwechsel

Als Regierungschef soll Morawiecki die Wirtschaftspolitik in den Fokus rücken und Investitionen ankurbeln. Szydło, die seit dem Wahlsieg der PiS 2015 mit der Umsetzung sozialer Wahlversprechen bei den Polen gepunktet hatte, kümmert sich als seine Vizechefin auch künftig um Soziales.

Einen echten Machtwechsel gab es Experten zufolge in Polen nicht. "Es bleibt die Regierung der PiS und die Entscheidungen werden weiterhin vom Vorsitzenden Jarosław Kaczyński gefällt", sagt die Politologin Agnieszka Lada vom Warschauer Institut für Öffentliche Angelegenheiten. Damit dürften Hoffnungen schwinden, mit Morawiecki an der Spitze werde Polen seinen Streit um Rechtsstaatlichkeit und Migrationspolitik mit der EU beilegen.

Dass der Geschäftsmann beim umstrittenen Programm der PiS bleibt, stellte er bereits unter Beweis: Morawiecki bekräftigte gegenüber polnischen Medien die Verweigerung der Flüchtlingsaufnahme und stellte sich hinter umstrittene Justizreformen, durch die Rechtsexperten eine Einflussnahme auf das Gerichtswesen fürchten.

Weltgewandter Wirtschaftsexperte

Allerdings könne sich der Konflikt mit der EU unter Morawiecki entschärfen, meint Lada. Bisher wies die PiS Kritik aus Brüssel meist schroff zurück. Der weltgewandte Wirtschaftsexperte, der in Deutschland und den USA studierte, werde andere Töne anschlagen, sagt die Politologin über Morawiecki, der als einer der gemäßigteren Köpfe der PiS gilt. Er kenne die EU-Partner, zudem denke er in wirtschaftlichen Kategorien, erklärt sie. Polens Draht zur EU verspreche professioneller und besser zu werden. "Vor allem zwischen Warschau und Berlin wird sich die Stimmung aufhellen", glaubt Lada.

Die PiS-Partei hatte das Land auf EU-Ebene isoliert: Sie propagiert Souveränität statt Integration und treibt Reformen zu Justiz und Medien voran, die gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Inzwischen drohen Warschau schwerwiegende Sanktionen, die bis zum Entzug der Stimmrechte im EU-Ministerrat führen könnten.

Skepsis

PiS-Wählern dürfte der Wechsel von Szydło zu Morawiecki allerdings missfallen: Der Ex-Manager, der Millionen verdiente, entspricht nicht gerade dem Sinnbild der Partei, die sich als Vertreterin der kleinen Leute sieht. Szydło hingegen, zweifache Mutter, ein Sohn ist Priester, fuhr für die PiS Rekordumfragewerte ein. Experten zufolge verlieh sie der radikalen Partei die notwendige Milde. Dass Kaczyński sie im Hintergrund instruierte, schadete ihrem Ansehen nicht. Ihre Abschiebung auf den Vizeposten könnte dagegen Stimmen kosten.

Auf Skepsis stößt Morawiecki auch in der eigenen Partei: Erst 2016 trat er ihr bei und startete direkt senkrecht durch, Freunde hat er dort kaum. Treue PiS-Anhänger dürften ihm vorhalten, dass er früher die Regierung Donald Tusks, eines Erzfeindes von Kaczyński, in Wirtschaftsfragen beriet. Der PiS-Chef macht den früheren Ministerpräsidenten und heutigen EU-Ratspräsidenten für den Absturz des Regierungsfliegers bei Smolensk 2010 und damit den Tod seines Zwillingsbruders und damaligen Präsidenten Lech verantwortlich.

Für Kritiker ist der überraschende Wechsel an der Regierungsspitze ein Ablenkungsmanöver: Fast parallel zu Morawieckis Ernennung verabschiedete das Parlament in der vergangenen Woche Justizreformen, die nach Ansicht von Rechtsexperten gegen die Verfassung verstoßen. Auch unter Szyldo setzte die PiS rechtswidrige Gesetze durch, auf die Kaczyński bestanden haben soll. Der PiS-Chef trat Medienspekulationen zum Trotz Szydłos Nachfolge nicht selbst an. Kaczyński entziehe sich möglichen Konsequenzen, sagte Tusk dem Sender TVN24 und warnte: "Heute liegt die Macht in den Händen eines Menschen, der für nichts die Verantwortung übernimmt." (APA, 11.12.2017)