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Wien – Wer denkt, dass sich Zooarchäologie nur um das Ausgraben und Bestimmen von Tierknochen dreht, sollte sich mit Konstantina Saliari (29) unterhalten. Anhand von Knochenresten löste sie ein Rätsel mit Implikationen für mehr als nur ihr Fach.

Alles begann mit einer Sammlung von mehr als 9.800 Tierknochen aus der frühmittelalterlichen Burganlage Sand in niederösterreichischen Waldviertel. Da die befestigte Siedlung aus dem frühen zehnten Jahrhundert bereits 30 oder 40 Jahre nach ihrer Gründung wieder zerstört wurde, boten die Ausgrabungen die seltene Chance, unberührtes Material aus einem gut definierten Zeitraum zu untersuchen.

Die ersten Untersuchungen des Fundes sorgten bei der jungen Wissenschafterin und ihren Kollegen am Naturhistorischen Museum Wien zunächst jedoch für keine großen Überraschungen. Auffällig war allein der hohe Anteil an Wildtieren. "Wir haben gedacht, es wird sicher keine Sensationen geben, und gingen davon aus, dass dort reiche Burgleute mit einer Vorliebe fürs Jagen lebten."

Untypische Funde

Beim weiteren Bestimmen der Knochen zeigte sich jedoch bald, dass die Zusammensetzung der Tiere nicht ins Profil passte: Neben Wildtieren fand die ursprünglich aus Griechenland stammende Saliari einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Jungtieren und kastrierten Rindern – also qualitativ wertvolles Fleisch. "Wir haben bald realisiert, dass die vielen Tiere dort nicht gehalten wurden, aber es gab keine Siedlungen oder Bauern in der Nähe."

Nach einer Konferent im Jahre 2012 bat Saliari das Museum, anhand der umfangreichen Knochensammlung forschen zu dürfen. Denn das dortige Material begeisterte sie so sehr, dass sie ihren ursprünglichen Plan, hinsichtlich ägyptischer Funde zu arbeiten, verwarf. Sie erkannte das Potenzial und stellte sich bald Fragen, die über ihre Disziplin hinausgingen. "Plötzlich mussten wir zwei Sachen lösen: die Lebensweise der Menschen in Sand verstehen und die Entwicklung ihrer Haustiere."

Durch das Heranziehen von historischen Berichten konnten sie schließlich auf eine rücksichtslose Wirtschaftsweise der Bewohner schließen, die ihrem Umfeld Tiere mit Fleisch der besten Qualität wegnahmen. "Die Frage war, ob wir solche Theorien wirklich von den Tierknochen ableiten können."

Knödel statt Tsatsiki

Nur drei Monate vor Fertigstellung der Arbeit fand Saliari die notwendigen Schlüsselinformationen in den Schriften eines Mönchs aus der Zeit Heinrichs des Ersten. Dieser hätte Verbrecher nicht bestraft, sondern in Grenzgebiete versetzt. Sie entwickelte darauf aufbauend die These, dass nicht eine Elite, sondern ehemalige Straftäter auf der Burg wohnten und berittene Raubzüge in ihrer Umgebung machten.

Mit ihrer Arbeit gewann Konstantina Saliari erst kürzlich auch den Carl-von-Schreibers-Forschungspreis. Schon als Kind träumte die Griechin davon, in einem deutschsprachigen Land zu leben. Nach ihrem Masterstudium in Athen kam sie nach Österreich, um ihren Horizont zu erweitern. Aufgrund ihrer Liebe für klassische Musik, bot sich Wien besonders an. "Ich fühle mich hier wie ein Fisch im Wasser! Ich fahre heim nach Griechenland, und es stört mich, dass ich eine Zeit lang keine Knödel essen kann." (Katharina Kropshofer, 18.12.2017)