Beim Spaziergang durch die Wiener Innenstadt ist man gerade in der Vorweihnachtszeit einem olfaktorischen Spießrutenlauf ausgesetzt. Kebap-Buden, Würstelstände und Langoshütten auf dem Christkindlmarkt machen es dem notorischen Junkfood-Verweigerer nicht gerade einfach, justament kein Verlangen nach Transfetten zu bekommen. Dass derlei Nahrungszufuhr der Gesundheit nicht zuträglich ist, weiß man. Dass Gerichte mit frischem Gemüse mindestens genauso befriedigend sein können, glaubt man aber weder seinem Arzt noch irgendwelchen Ernährungsgurus, deren Bücher man sich vor allem im neuen Jahr – zwecks Neujahrsvorsätzen – gern zulegt.

Spitzenkoch Paul Ivić fängt erst gar nicht an, fleisch- und fettsüchtige Skeptiker zu missionieren. Vegetarisch zu kochen ist für ihn trotzdem selbstverständlich. Und der Erfolg scheint ihm recht zu geben: Im Restaurant Tian hält der gebürtige Tiroler seit einigen Jahren drei Gault-Millau-Hauben. Der Guide Michelin zeichnete das vegetarische Restaurant in der Wiener Innenstadt als eines von vier weltweit mit einem Stern aus. Kein Wunder also, dass es für den versierten Küchenchef keine große Herausforderung darstellte, ein dreigängiges Weihnachtsmenü ohne Fleisch zu kochen.

Gang für Gang drapierte er die Gerichte auf Tellern von Keramikerin Marianne Seiz, bevor Fotografin Luzia Ellert auf den Auslöser drückte. Als ersten Gang serviert Paul Ivić auf Salz gegarte Rote Rüben mit einer Kaffernlimetten-Vinaigrette. Der Hauptgang: Kürbisravioli mit parfümiertem Chablis und Ameretti-Bröseln. Das Dessert kommt von Chefpatissier Thomas Scheiblhofer. Er serviert einen Ring aus glasiertem Pistazienkuchen und Roten-Rüben-Mus.

Der internationale Trend der alkoholfreien Speisenbegleitung in Spitzenrestaurants lässt sich auch auf die eigenen vier Wände umlegen. Zum Beispiel mit Saftkombinationen wie Apfel und Fenchel, Kerbel und Trauben mit Brause oder Berberitze mit Kräutertee. Michael Peceny steuerte die Saftbegleitung bei.

Vorspeise: Auf Salz gegarte Rote Rüben mit Kaffernlimettenblättern.
Foto: Luzia Ellert

Vorspeise: Gegarte Rote Rüben

1 – Rote Rüben

4 Rote Rüben
Meersalz

Rote Rüben auf grobem Meersalz bei 200° im Ofen je nach Größe zwischen 60–90 Minuten weich garen.

2 – Vinaigrette

4 Rote Rüben
2 Kaffernlimettenblätter
1 EL Chardonnay-Essig
3 EL Olivenöl
Salz
Zucker
Kerbel
geschälte und gekochte Maroni

Drei Rote Rüben schälen und entsaften. Kurz mit den Limettenblättern erwärmen und diese darin zehn Minuten ziehen lassen. Abseihen und mit den restlichen Zutaten vermengen.
Eine Rote Rübe schälen, in 5 mm kleine Würfel schneiden und unter die Vinaigrette mischen.
Pro Portion 3 Stk. Maroni dazugeben.

Getränk: Apfel-Fenchel

4 kg Äpfel
4 EL getrocknete Fenchelsamen
4 EL Fenchelpollen
200 g Zucker

Zucker mit einem Liter Wasser in ein luftdicht verschließbares Glas füllen. Fenchelpollen darin einlegen, Glas verschließen und eine Woche lang fermentieren lassen. Getrocknete Fenchelsamen in einem Liter Wasser ausziehen lassen. Äpfel frisch entsaften. Fenchelsud mit Pollen abschmecken und 125 ml von der Flüssigkeit mit 500 ml Apfelsaft mischen. Alles mit einem Liter Wasser auffüllen und in einem Sodabereiter aufsprudeln.

Hauptspeise: Kürbisravioli mit parfümiertem Chablis und Amaretti-Bröseln.
Foto: Luzia Ellert

Hauptspeise: Kürbisravioli mit parfümiertem Chablis und Amaretti-Bröseln

1 – Ravioliteig

200 g Mehl
3 Eigelb
1 Ei
1 TL Olivenöl

Eigelb und Ei mit Olivenöl verquirlen und in das Mehl einarbeiten. Den Teig kneten, bis er eine geschmeidige, weiche Konsistenz erreicht. Eventuell mit etwas Mehl nachbearbeiten. 20 Minuten im Kühlschrank rasten lassen.

2 – Füllung

1 kg Kürbis (Langer von Neapel)
2 Zweige Thymian
4 EL Olivenöl
4 EL Wasser
40 g Ziegenfrischkäse
25 g geriebener Parmesan
100 g Schwarzbrotwürfel
3 Stk. Amaretti
1 Stk. Williams Christ Birne

Ofen auf 200 Grad vorheizen. Geschälten und in große Stücke geschnittenen Kürbis auf ein Backpapier legen. Mit Thymian belegen. Salz, Pfeffer und Muskatnuss darüberreiben und für 45 Minuten im Ofen weichgaren. Aus dem Ofen nehmen und den Kürbis 30 Minuten abkühlen lassen (Flüssigkeit aufheben – diese kann für die Sauce verwendet werden). Birnen in 5 mm starke Würfel schneiden. Amaretti im Mörser fein bröselig mörsern. Beides mit dem Parmesan und Ziegenfrischkäse vermengen. Mit einem Kochlöffel vorsichtig die Kürbismasse und die Schwarzbrotwürfeln unterrühren. Sollte die Masse noch feucht sein, etwas frische Brotbrösel hinzugeben.

Den Nudelteig mit einer Nudelmaschine schrittweise zu dünnen Teigbahnen auswalzen. Teig auf bemehlter Arbeitsfläche auslegen. Auf die Hälfte der Bahnen im Abstand von 3 cm mit einem Esslöffel kleine Häufchen der Füllung setzen. Die zweite Teighälfte mit etwas Wasser leicht befeuchten und über die andere Teighälfte darüberklappen. Die Zwischenräume gut andrücken – es sollte keine Luft mehr in dem Raviolo sein. Rund ausstechen und krendeln.

Salzwasser zum Kochen bringen und die Ravioli darin ca. 2–3 Minuten garen. Wenn sie an der Oberfläche schwimmen, sind sie fertig.

3 – Parfümierter Chablis

20 g Zucker
15 ml Apfelbalsamessig
1 Stk. Sternanis
1/2 Vanilleschote
1/2 TL Piment
205 ml Chablis
250 ml Portwein
20 g Butter

Zucker bei mittlerer Hitze zu einem hellen Karamell zergehen lassen. Mit Apfelbalsam aufgießen und für ein paar Sekunden reduzieren lassen.

Mit den Weinen aufgießen und auf 125 ml reduzieren. Vom Herd nehmen und mit der kalten gewürfelten Butter montieren.

Getränk: Kerbel-Trauben-Brause

250 g Zitronensäure
250 g Backnatron
1 kg Trauben
250 g Kerbelwurzel
100 g Zucker
100 ml Wasser

Für das Brausepulver Zitronensäure und Backnatron mischen und in einem Glas luftdicht verschließen. Kerbelwurzel schälen, in kleine Stücke schneiden und in Zuckerwasser weichkochen. Den Saft mit den Stücken einen Tag lang abgedeckt im Kühlschrank ziehen lassen. Am nächsten Tag die gekochte Kerbelwurzel mit einem Pürierstab pürieren. Das Püree in ein Glas geben, luftdicht verschließen und kühl lagern. Trauben entsaften und in sterile Flaschen abfüllen. Zum Servieren 250 ml Traubensaft und 250 ml Soda mit 1 EL Kerbelpüree mischen und durch ein Sieb in ein Glas füllen. Zum Schluss etwas Brausepulver in das Getränk geben.

Dessert: Pistazienkuchen und Rote-Rüben-Mousse mit Rote-Rüben-Glasur und Pistazieneis.
Foto: Luzia Ellert

Dessert

1 – Pistazienkuchen

100 g Pistazienkerne geschält
55 g Mandeln
155 g Staubzucker
32 g Weizenmehl
60 g Kristallzucker
180 g Eiweiß (ca. 6 Stk. Eiweiß)

Die Pistazien und Mandeln fein reiben und mit den anderen trockenen Zutaten vermischen. Das Eiweiß im Rührgerät aufschlagen, nach und nach Zucker zugeben, bis ein kompakter Eischnee entsteht. Auf ein Backblech mit Bachpapier ausgelegt, ca. 1 cm dick ausstreichen und bei 160°C backen. Ca. 18 Minuten backen, bis die Oberfläche nicht mehr klebt und elastisch erscheint.

2 – Rote-Rüben-Mousse

140 g Rote Rüben (vorgekocht)
60 g Rote Rübensaft
50 g Kristall Zucker
7 g Maizena
30 g Kakaobutter
200 g Schlagobers
1 cl Himbeergeist

Die gekochten Rüben mit dem Saft zusammen fein pürieren. Mit Zucker und Maizena vermischen und einmal aufkochen. Dabei immer umrühren, damit sich das Püree nicht anlegt oder anbrennt. Anschließend die feste Kakaobutter dazugeben. Die Masse auf Raumtemperatur abkühlen lassen und immer wieder durchrühren. In der Zwischenzeit Schlagobers aufschlagen. Wenn die Rübenmasse Raumtemperatur erreicht hat, etwas Himbeergeist dazugeben. Danach das Obers zügig unterheben. In vorbereitete Ringe oder andere Formen füllen und kühl stellen.

Den Pistazienkuchen in derselben Größe ausstechen und daraufsetzen. Wenn die Mousse durchgekühlt ist, stürzen und so zum Glasieren vorbereiten. Die Abschnitte des Kuchens in kleine Stücke schneiden und kurz im Backrohr antrocknen. Damit bekommt man leicht knusprige Streusel, die zum Garnieren verwendet werden können.

3 – Glasur

250 ml Rote-Rüben-Saft
4 Blatt Gelatine

Rote-Rüben-Saft kurz erhitzen. Je nach Geschmack mit weihnachtlichen Aromen versetzen (Zimtstange, Nelken ...) und ziehen lassen. Gelatine in kaltem Wasser einweichen, ausdrücken und zum warmen Rote-Rüben-Saft geben. Die Glasur so kühl wie möglich über die Mousse verteilen, damit sie durch die heiße Glasur nicht flüssig wird. Man kann die Mousse davor kurz ins Tiefkühlfach geben.

Die ausgekühlte Mousse auf einem Teller mit einem Löffel Pistazieneis anrichten und mit Pistazienstreusel und Schokoladenfäden garnieren.

Getränk: Tee mit Berberitze

500 g Berberitze
250 g Zucker
250 g Wasser
Teemischung (Pfefferminze, Brennnessel, Thymian, Frauenmantel, Malve, Schafgarbe, Johanniskraut)

Die Berberitzen in einem Topf mit Zucker und Wasser einmal aufkochen. Den Topf 24 Stunden mit einem Tuch abgedeckt stehen lassen. Danach den Saft mit einer Mostpresse auspressen und in sterile Flaschen füllen. (Alternativ kann man auch Cranberrysaft verwenden.) 1 EL der Teemischung in 250 ml kochendem Wasser rund acht Minuten ziehen lassen und eine frische Zimtstange hinzufügen. Den abgekühlten Tee mit 250 ml Berberitzensaft mischen.


Paul Ivić
Foto: Luzia Ellert

"Fleisch ist kein Zeichen von Wohlstand"

Spitzenkoch Paul Ivić über sein Weihnachtsmenü.

STANDARD: Warum hat Fleisch gerade zu Weihnachten noch immer so einen hohen Stellenwert?

Paul Ivić: Das kommt wahrscheinlich aus der Nachkriegszeit, als Fleisch noch etwas Besonderes war. Mittlerweile kommt unser Fleisch zu einem Großteil aus Massentierhaltung. Es ist längst kein Zeichen für Wohlstand mehr. Außerdem beeinflusst uns die Fleischindustrie auch mit gutem Marketing.

STANDARD: Aber gibt es nicht immer mehr Menschen, die auf Fleisch verzichten?

Ivić: Ich glaube, viele Menschen sind noch immer davon überzeugt, dass es gerade zu Weihnachten Fleisch geben muss. Ein vegetarisches Weihnachtsmenü ist etwas Ungewohntes.

STANDARD: Vielleicht, weil man sich zu Weihnachten etwas Besonderes gönnen möchte.

Ivić: Das Weihnachtsfest definiert sich nicht darüber, ob man Fleisch isst oder nicht. Es geht darum, für Menschen zu kochen, die man gern hat. Auch wenn man vegetarisch kocht, sollte das im Vordergrund stehen. Die vegetarische Küche kann man zu besonderen Anlässen sehr spannend inszenieren.

STANDARD: Die weitverbreitete Meinung, dass es im Winter kaum Gemüse gibt, hält sich aber hartnäckig.

Ivić: Ich dachte früher auch immer, im Winter gebe es so wenig Gemüse. Das stimmt aber keineswegs. Kohlsprossen finde ich zum Beispiel sensationell im Winter. Aber auch die ganzen Wurzeln wie Pastinaken oder Schwarzwurzeln lassen sich gut einsetzen. Da kann man sehr kreativ sein. Granatapfel oder Kastanie eignen sich ebenfalls perfekt zum Kochen.

STANDARD: Was empfehlen Sie Kochanfängern, die vegetarisch kochen möchten?

Ivić: Bei der Qualität soll man kompromisslos sein, weil man sie schmeckt. Das ist aber nicht nur in der vegetarischen Küche so. Wenn man neugierig und offen bleibt, kann man vieles entdecken und wird oft überrascht sein.

STANDARD: Ihre Küche ist mit einem Michelin-Stern und drei Gault-Millau-Hauben ausgezeichnet. Trotzdem müssen Sie sich immer wieder Preisdiskussionen stellen.

Ivić: Manche Gäste glauben, dass unser Wareneinsatz viel geringer ist als in einem Restaurant, in dem Fleisch serviert wird. Gute Qualität hat aber ihren Preis. Ich zahle für einen Kilo Wurzelspinat 25 Euro. Rinderfilet gibt es wesentlich günstiger. Gute Köche verarbeiten Rohstoffe und arbeiten nicht mit Convenience-Produkten. Das kostet natürlich Geld.

Vor kurzem präsentierte Paul Ivić
sein neues Kochbuch "Vegetarische Winterküche" (29,90 Euro), erschienen im Brandstätter-Verlag.
Foto: Brandstätter Verlag

STANDARD: Fehlt hierzulande die Wertschätzung für gutes Essen?

Ivić: Wir sind auf jeden Fall ein bisschen hinten nach, was qualitatives Essen betrifft. Das liegt auch an der Politik. Der französische Spitzenkoch Alain Ducasse erzählte einmal stolz, dass sein Präsident zum Essen in sein Restaurant kommt. Er will damit zeigen, was für eine tolle Esskultur Frankreich hat. Bei uns gehen Politiker lieber in ein billiges Lokal, um zu zeigen, wie sparsam sie sind. Das ist ein falsches Signal, wie ich finde. Wir sprechen hier viel zu oft über die Preise, dabei sollten wir über die Qualität sprechen.

STANDARD: Wie muss das perfekte Weihnachten für Sie sein?

Ivić: Weihnachten ist etwas Besonderes für mich, weil ich Zeit habe für Familie und Freunde. Das Essen ist zwar wichtig, es geht aber mehr darum, bewusst Zeit miteinander zu verbringen. Wir essen gerne lange und ausgiebig, um die Zeit bestmöglich zu nutzen.

STANDARD: Wie wird bei Ihnen gefeiert?

Ivić: Ich feiere Weihnachten traditionell mit meiner Familie und meiner Freundin. Wir treffen uns bei meiner Schwester in Tirol. (Alex Stranig, RONDO, 15.12.2017)

Weiterlesen:

Kalb, Rind, Lebkuchen: Das Weihnachtsmenü von Richard Rauch (RONDO-Weihnachtsmenü 2016)

Zwidere Wurzen, hippe Rüben: Was hinter Trendlebensmitteln steckt