Die 26-jährige Jolie Mukiza arbeitet als eine der wenigen Frauen in Ruanda als Gorilla-Guide im Vulkan-Nationalpark.

Foto: Win Schumacher

Die erhabene Silhouette der Virunga-Vulkane.

Foto: Getty Images/iStockphoto/KirstenDohmeier

"Gorillas im Nebel": Für viele ist Dian Fossey eine Heldin.

Foto: Win Schumacher

Das Grab der Zoologin Fossey. Sie wurde vermutlich von Wilderern getötet.

Foto: Win Schumacher

Ein Silberrücken: Vor 50 Jahren gründete Fossey die Karisoke-Forschungsstation auf der ruandischen Seite der Virunga-Vulkane. In endloser Geduld näherte sich die Zoologin den Tieren, studierte ihre Kommunikation und ihr Sozialverhalten.

Foto: Getty Images/iStockphoto /ANDREYGUDKOV

Ruhengeri – Der Nebel hält den Bergwald dicht umhüllt, die erhabene Silhouette der Virunga-Vulkane ist hinter Wolkenschwaden verschwunden. Im Dunst lassen sich die Umrisse einiger Baumriesen erahnen, die von Bartflechten überwucherten Äste greifen ins Nichts.

"Nur nicht vom Wetter schrecken lassen", sagt Jolie Mukiza fröhlich, "das ändert sich stündlich." Die Rangerin steht in Gummistiefeln bis zum oberen Rand im Schlamm, der einsetzende Regen scheint die zierliche 26-Jährige nicht weiter zu stören. Gemeinsam mit einer Wandergruppe ist sie unterwegs auf dem Dian-Fossey-Pfad im Vulkan-Nationalpark im Nordwesten Ruandas. Der Pfad war einst der Heimweg der amerikanischen Primatologin von ihren Schützlingen in den Bergen zu ihrer einfachen Unterkunft.

Nachfahren im Nebelwald

"Die Einheimischen hielten sie für verrückt", sagt Mukiza. Eine weiße Frau, die allein unter Gorillas leben wollte? So etwas schien 1967 ausgeschlossen und überaus gefährlich. Doch schon bald nannten die Ruander Dian Fossey ehrfurchtsvoll Nyiramachabelli – die Frau, die allein auf dem Berg lebt.

Ein Silberrücken tritt aus dem Dunst und baut sich am Wegesrand auf, als habe ihn jemand als Türsteher für den Nebelwald engagiert. "Er ist ein Nachfahre der Gruppen, die Fossey erforschte", sagt Mukiza ruhig. "Heute gibt es hier sieben Populationen, die an Menschen gewöhnt sind." Vor 50 Jahren gründete Fossey die Karisoke-Forschungsstation auf der ruandischen Seite der Virunga-Vulkane. In endloser Geduld näherte sich die Zoologin den Tieren, studierte ihre Kommunikation und ihr Sozialverhalten.

Nachspüren in Nationalpark

"Fossey war eine Heldin", sagt Mukiza, "ohne sie hätte es keine Annäherung zwischen Mensch und Gorilla gegeben." Als Kind sah Mukiza zum ersten Mal den Film Gorillas im Nebel mit Sigourney Weaver in der Rolle von Dian Fossey. Sie beschloss, in die Fußstapfen der Forscherin zu treten und eine Ausbildung als Gorilla-Guide zu machen. Mit 19 Jahren war sie die jüngste Frau, die ihre Arbeit im Nationalpark begann – und noch immer ist Mukiza eine der wenigen Rangerinnen in dieser Männerdomäne.

"Das ändert sich langsam", sagt sie. Als Mutter von zwei Kleinkindern geht sie einen für Ruanderinnen ungewöhnlichen Weg. Wenn Mukiza im Wald den Gorillas nachspürt, passt die Großmutter auf die Kleinen auf. Einfach ist das nicht, denn bis sie die Tiere im Dschungel ausfindig macht, können viele Stunden vergehen, feste Arbeitszeiten gibt es nicht. Als Guide verdient sie mehr als ihr Mann, ihr Einkommen ist unregelmäßig, liegt aber deutlich über Ruandas Durchschnitt von jährlich 580 Euro. "Immer mehr Frauen wollen im Nationalpark arbeiten", sagt sie, "das freut mich."

Mit Machete niedergestreckt

Während weibliche Guides eine Minderheit sind, ist das Verhältnis von Männern und Frauen in der Erforschung der Menschenaffen genau umgekehrt. In der Primatologie sind seit langem Frauen federführend. Neben Fossey wurden vor allem die Schimpansen-Forscherin Jane Goodall und Birutė Galdikas, die ihr Leben den Orang Utans Borneos widmete, bekannt.

Auf einer Lichtung deutet Mukiza auf die Überreste eines Gebäudes. Von der ersten Hütte, in die Fossey einzog, sind nur noch die Fundamente erkennbar. Darüber surrt ein Bienenvolk in einer Baumkrone. "Besser Abstand halten!", empfiehlt Mukiza. Später richtete sich Fossey etwas oberhalb der Ruine eine neue Unterkunft ein. Hier fanden Mitarbeiter der Forschungsstation am 27. Dezember 1985 den leblosen, mit einer Machete niedergestreckten Körper der Forscherin. Bis heute wurden die Mörder nicht ausgeforscht, Mukiza ist überzeugt davon, dass es Wilderer waren.

Härte im Kampf gegen Wilderer

Die Wanderer stehen am Grab von Dian Fossey. Auf dem Gorillafriedhof von Karisoke ist eine einfache Gedenktafel für die Primatologin angebracht. "Niemand liebte die Gorillas mehr" steht darauf geschrieben. Neben ihr liegt Digit, das Gorillamännchen, dessen Vertrauen Fossey als erstes gewann. 1977 wurde Digit von Wilderern umgebracht.

Nach seinem Tod setzte Fossey den Kampf gegen Wilderer mit zunehmender Härte fort. Ungebetene Eindringlinge ließ sie verfolgen und verprügeln. Selbst Touristen duldete sie nicht in der Nähe der Tiere. Launisch, verbittert und oft betrunken, erlebten sie Zeitzeugen in den letzten Wochen vor ihrem Tod. Kollegen begegnete sie mit Herablassung, ihren ruandischen Mitarbeitern mit herrischem Kolonialgebaren. Das tat ihrem späteren Ruf als Schutzheilige der Gorillas keinen Abbruch.

Als Fossey ihre Forschung begann, standen die Berggorillas am Rande des Aussterbens. Heute sollen es wieder mehr als 900 Tiere sein. "Es ist wundervoll, dass heute Menschen aus aller Welt kommen, um sie zu sehen", sagt Mukiza, "Ruanda hätte die Tiere ohne Fossey für immer verloren." (Win Schumacher, 16.12.2017)