Bekommt der Körper zu wenig Wasser, wird über die Niere Wasser aus dem Urin rückresorbiert.

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Berlin – Jeder kennt das Phänomen: Ein heißer Tag, viel geschwitzt, kaum getrunken. Darauf reagiert der Körper, indem er wenig Urin ausscheidet. Dieser ist dafür dunkelgelb, sprich hochkonzentriert. "Damit der Körper möglichst wenig Flüssigkeit verliert, wird in den Sammelrohren der Niere Wasser aus dem Urin rückresorbiert. Das ist überlebenswichtig", sagt Kai Schmidt-Ott vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC). Damit diese Rückresorption gelingt, muss das Nierenmark, das die Sammelrohre umgibt, große Mengen Salze und Harnstoff anhäufen. Denn nur so kann Wasser bei Bedarf von den Sammelrohren ins Nierenmark und anschließend zurück ins Blut gelangen.

Wissenschafter vom MDC haben nun herausgefunden, wie die Niere diesen Vorgang steuert: "Wir haben nun erstmals einen wichtigen molekularen Schalter identifiziert, über den die hohe Salzkonzentration im Nierenmark aufrechterhalten werden kann", sagt Christian Hinze, Erstautor der Studie. Dabei handelt es sich um das Protein Grainyhead-like 2, kurz GRHL2 – ein Transkriptionsfaktor, der die Aktivität von Genen steuern kann.

Das Molekül wird in den Zellen des Sammelrohrs produziert und bewirkt, dass die Zellen eine dichte Barriere zwischen dem Urin und dem Nierenmark ausbilden können. Versuche mit Zellkulturen des Sammelrohrs zeigten außerdem, dass GRHL2 maßgeblich beeinflusst, wie dicht die Verbindung zwischen den Zellen ist. "Normalerweise bilden Sammelrohrzellen eine dichte Barriere zwischen Urin und dem umgebenden Gewebe. "Zellen, denen GRHL2 fehlt, werden durchlässig für bestimmte Stoffe.", sagt Hinze.

Genveränderte Mäuse produzierten mehr Urin

Zusätzliche Experimente bestätigten die Vermutung der Forscher, dass die Zellen des Sammelrohrs ohne das Molekül GRHL2 undicht werden – und somit Salze und Harnstoff durch die Zell-Zell-Kontakte passieren lassen. Anschließend überprüften die Wissenschafter die gewonnenen Erkenntnisse im Tiermodell. Dazu wurden die Gene von Mäusen so verändert, dass GRHL2 nur in den Sammelrohren der Niere fehlte. "Äußerlich waren die genetisch veränderten Tiere zunächst unauffällig", sagt Schmidt-Ott. Auch ihre Nieren sahen ganz normal aus. Lediglich unter dem Mikroskop war zu erkennen, dass die Zellen des Sammelrohrs etwas kleiner waren als gewöhnlich.

"Allerdings produzierten die genveränderten Mäuse mehr Urin als normale Artgenossen. Gleichzeitig war dieser verdünnt", erklärt Hinze. Zudem ließ sich feststellen, dass die Konzentration von Kochsalz im Nierenmark herabgesetzt war. Problematisch wurde die vermehrte Urinproduktion der Tiere, sobald sie wenig zu trinken bekamen. Ihre Kreatinin- und Harnstoff-Werte, zwei wichtige Laborparameter zur Beurteilung der Nierenfunktion, schossen dann in die Höhe.

"Offensichtlich versagten die Nieren der Mäuse", interpretiert Hinze das Ergebnis. "Auf diese Weise konnten wir erstmals zeigen, wie wichtig die Zellbarriere des Sammelrohrs für die hohen Konzentrationen gelöster Stoffe in der Niere ist – und damit für die Konzentrierung des Urins ", ergänzt Schmidt-Ott.

GRHL2 als mögliches Ziel für neue Therapien

Die Forscher gehen davon aus, dass dieser Mechanismus auch auf den Menschen übertragbar ist, denn auch die menschliche Niere bildet das Protein GRHL2. Die Wissenschafter wollen nun herausfinden, ob sich GRHL2 steuern lässt. Das könnte beispielsweise für Patienten hilfreich sein, die an Diabetes insipidus leiden. Bei dieser Krankheit scheiden die Nieren vermehrt Wasser aus. Die Folgen sind starker Harndrang und großer Durst. (red, 14.12.2017)