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Nicht nur, dass die Parteirebellen bei Theresa Mays Konservativen die Autorität der Regierungschefin infrage stellen – ihr Votum im Unterhaus kommt kurz vor dem wichtigen EU-Gipfel auch zur völligen Unzeit.

Foto: AP / Olivier Matthys

Die erste Brexit-Abstimmungsniederlage für Premierministerin Theresa May im Unterhaus hat am Donnerstag zu scharfen Auseinandersetzungen innerhalb der konservativen Regierungspartei geführt. Während die elf Rebellen ihre Entscheidung mit dem Wohl des Landes begründeten, wurden sie von Brexit-Hardlinern als "Verräter" denunziert. Kritik richtete sich auch gegen die Fraktionseinpeitscher, deren unversöhnliche Taktik nicht aufgegangen war.

May reiste Donnerstagnachmittag nach Brüssel, um dort am ersten Teil des EU-Gipfels teilzunehmen. Beim Abendessen wollte sie den übrigen 27 Staats- und Regierungschefs das 15-seitige Papier erläutern, auf das sie sich vergangene Woche mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geeinigt hatte. Es macht den Weg frei zu Verhandlungen über eine rund zweijährige Übergangsphase und die zukünftigen Beziehungen nach dem März 2019.

Über das Ergebnis dieser Verhandlungen will das Parlament zu einem Zeitpunkt – wohl Ende 2018 – abstimmen, der das Votum "aussagekräftig" (meaningful) macht: Darum drehte sich die Debatte am Mittwoch. Die Regierung hatte zwar nach langem Drängen einer Abstimmung zugesagt, dieser aber keine Verbindlichkeit zubilligen wollen: Schließlich könne es sein, dass eine Einigung mit Brüssel erst in letzter Minute zustande komme und man den Deal dann sofort umsetzen müsse.

Parteiinterne Kritik

Dagegen wehrte sich der frühere Generalstaatsanwalt Dominic Grieve, unterstützt von Exjustizminister Kenneth Clarke sowie weiteren sechs früheren Regierungsmitgliedern. Zugunsten des Brexits sei mit dem Argument geworben worden, man wolle die Souveränität des britischen Parlaments wieder herstellen. "Genau das streben wir an." Seine Ergänzung des Austrittsgesetzes fand eine Mehrheit von 309 zu 305 Stimmen. Neben elf Konservativen stimmten auch die meisten Labour-Mandatare sowie die liberaldemokratische Fraktion und die schottischen und walisischen Nationalisten mit.

Weil sich die Niederlage abgezeichnet hatte, musste sich der konservative Fraktionsgeschäftsführer Julian Smith Kritik aus den eigenen Reihen gefallen lassen. Die Empörung der Brexit-Hardliner richtete sich gegen die elf Rebellen. Die "Verräter" sollten für die nächste Legislatur nicht mehr aufgestellt werden, forderte die Tory-Abgeordnete Nadine Dorries. Allerdings wiesen Oppositionspolitiker darauf hin, dass Dorries ebenso wie viele andere der ideologischen EU-Feinde seit Jahren immer wieder gegen Vorlagen der eigenen Regierung gestimmt hatten.

Aufruf zu Mäßigung

Besonnene Tories riefen zur Mäßigung auf. Er selbst habe der Regierungsvorlage zugestimmt, erläuterte der EU-freundliche Nick Boles. "Aber ich respektiere die Haltung der Rebellen und verurteile die Verratsvorwürfe."

Da die Abstimmung relativ früh im Gesetzgebungsverfahren stattfand, hat die Regierung die Möglichkeit, im neuen Jahr das Ergebnis umzukehren. Davor warnte Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer und forderte Brexit-Minister David Davis dazu auf, einen Paragrafen zurückzuziehen, der kommende Woche zur Diskussion steht. Damit will die Regierung das Austrittsdatum 29. März 2019 gesetzlich verankern; die Opposition argumentiert hingegen, man solle sich die Flexibilität bewahren, um bei Verhandlungsschwierigkeiten notfalls ein wenig Zeit hinzuzugeben.

Davis kündigte an, die Regierung werde "über das Abstimmungsergebnis nachdenken". Auf jeden Fall habe das Parlament damit den Zeitplan der Regierung durcheinandergebracht. (Sebastian Borger aus London, 14.12.2017)