Am Donnerstag fand am Flughafen Wien eine Mitarbeiterveranstaltung der insolventen Airline Niki statt.

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Rot gekleidete Stewardessen ziehen ihre Koffer über den Steinboden, vor der Ankunftshalle warten Eltern und Familien auf die Rückkehr ihrer Angehörigen. Der Flughafen Wien-Schwechat wirkt wie an jedem anderen Reisetag. Und doch: Etwa dreihundert Meter vom gängigen Treiben entfernt sind die Gesichter verärgert, manchen stehen die Tränen in den Augen. "Burschen, bitte arbeitets noch normal weiter", sagt ein Manager zu den hunderten Mitarbeitern der Fluglinie Niki, die sich in dem Passagiergang versammelt haben.

Eigentlich hätte die Veranstaltung in den Büros von Niki stattfinden sollen, doch die waren wegen des großen Andrangs überfüllt. Die meisten sind ohne Uniform gekommen. "Habt ihr euch denn nichts erspart?", so der Manager in Anspielung auf etwaige Rücklagen weiter. Während es am Anfang noch ruhig war, beginnen jetzt viele die Führungsetage der Niki-Airline auszubuhen.

Veranstaltung endet in Streit

Nach einer Stunde muss Geschäftsführer Oliver Lackmann die Veranstaltung auflösen, die in einem regelrechten Streit endet. So schildern es zwei der Mitarbeiter nach der Versammlung. Einer von ihnen ist Sebastian Van Veen: "Wir fühlen uns von Air Berlin hintergangen", sagt der 22-Jährige frustriert, der vor eineinhalb Jahren für Niki als Techniker zu arbeiten begonnen hat. Er habe nie etwas vom Management erfahren, sei vollkommen ignoriert worden.

Als er am Mittwoch nach einer Nachtschicht zu Mittag aufwachte und den Fernseher einschaltete, konnte er zuerst nicht glauben, was er da sah. Niki sei pleite, bis zu 1.000 Mitarbeiter in Österreich davon betroffen. "Ich war schockiert, habe mich nur gefragt, wie uns die Lufthansa so im Stich lassen konnte."

Erst nachdem die Medien bereits breit über die Insolvenz berichtet hatten, habe er auch als Mitarbeiter eine Mitteilung per E-Mail bekommen. "Eine Frechheit", wie Van Veen findet. Am Mittwochabend habe er dann gemeinsam mit seinen Kollegen den letzten Flieger gefeiert, der um 23.18 Uhr aus Teneriffa ankam.

Seinem Kollegen, ebenfalls Techniker bei Niki, Philipp Oberlackner, erging es ähnlich. Sein Vater habe ihn am Mittwochnachmittag angerufen und ihm von der Pleite erzählt. "Musst du dann heute überhaupt noch arbeiten?", habe er ihn gefragt. Oberlackner blickt traurig zu Boden.

Betriebsrat mahnt zur Ruhe

Der Betriebsratsvorsitzende von Niki, Stefan Tankovits, versucht die Situation indes zu entschärfen und mahnt die Mitarbeiter zur Ruhe. Die Arbeitsverträge seien weiterhin aufrecht, nur die Piloten und Flugbegleiter quasi freigestellt. Der Betriebsrat und die Arbeiterkammer werden die Mitarbeiter in den kommenden Tagen informieren. Nach einem Gespräch mit dem Insolvenzverwalter gehe er davon aus, dass es Interessenten und damit Hoffnung gebe. Denn noch sei in Österreich kein Insolvenzverfahren beantragt worden.

Van Veen ist trotzdem skeptisch. Viele Mitarbeiter hätten gestern bereits gekündigt, andere bereits Uniformen der Lufthansa-Tochter Eurowings anprobiert. Flugbegleiter und Piloten seien selbst auf internationalen Flughäfen gestrandet, manche mussten die Heimreise auf eigenen Faust antreten.

Hilfe von der Konkurrenz

Ausgerechnet der erbitterte Konkurrent von Niki, die Austrian Airlines (AUA), bietet den Niki-Mitarbeitern nun Hilfe an. Piloten, Flugbegleiter und Techniker können sich bei der AUA melden und sollen ein beschleunigtes Bewerbungsverfahren bekommen. Denn die AUA suche selbst Mitarbeiter, vor allem Piloten, Flugbegleiter, aber auch 50 bis 100 Techniker. Und auch Eurowings wirbt bereits um Mitarbeiter von Niki, etwa für die Standorte Wien und Salzburg.

Oberlackner könnte sich vorstellen, danach für die AUA zu arbeiten. Er habe als Techniker eine Lizenz, mit der er auf eigene Verantwortung am Flieger arbeiten kann. Damit werde er auch bei der AUA leichter genommen, ist er überzeugt. Van Veen möchte am liebsten bei Niki bleiben. Die Kollegen seien für ihn zu einer kleinen Familie geworden, unter den Technikern und Piloten kenne sich jeder. Bei der AUA sei alles viel anonymer.

Ungewisse Zukunft

Die nächsten sieben Tage wird er sich noch um die drei verbliebenen Flieger kümmern, die im Hangar stehen. Was danach kommt, weiß er selbst nicht. Eigentlich wollte er zu Weihnachten in eine größere, neue Wohnung in Wien ziehen. Daraus wird jetzt nichts. Er zweifelt daran, überhaupt ein Gehalt im Jänner zu bekommen. Für die Zukunft malt er sich schon andere Pläne aus: "Mit der Fliegerei aufhören, dann vielleicht ins Ausland gehen."(Jakob Pallinger, 14.12.2017)