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An Protesten in Warschau und im Rest Polens nahmen tausende Menschen teil. Sie sind wegen der geplanten Justizreform besorgt, die auch von der EU kritisch beäugt wird.

Foto: Reuters / Agencija Gazeta

Brüssel – Wegen ihrer umstrittenen Justizreform erwartet die polnische Regierung, dass die EU-Kommission kommende Woche ihre Gangart deutlich verschärft. Er rechne damit, dass die Kommission wahrscheinlich am Mittwoch ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags einleiten wird, sagte Polens neuer Regierungschef Mateusz Morawiecki am Donnerstag.

Die "Süddeutsche Zeitung" und der "Spiegel" berichteten Freitagfrüh unter Berufung auf EU-Diplomaten ebenfalls, dass ein solches Verfahren geplant sei. Der Beginn des Verfahrens drohe Polen in dem Fall, dass sich die Regierung nicht noch zu einer Änderung ihrer Pläne für eine Justizreform entschließe. Davon gehe man allerdings derzeit nicht aus.

EU-Budgetkommissar Günther Oettinger bestätigte Freitagfrüh entsprechende Überlegungen. Es spreche "viel dafür", dass die Kommission ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen auslöse. "Ich vermute, dass wir am Mittwoch bereit sind, diesen Schritt einzuleiten."

Alle müssten zustimmen

Ein solches Verfahren wäre eine Premiere im Verhältnis zu einem Mitgliedsstaat. Es kann theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten in der EU führen. Morawiecki sprach am Rande des EU-Gipfels in Brüssel von einem "ungerechten Verfahren". "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass souveräne Staaten (...) das vollkommene Recht haben, ihr Justizsystem zu reformieren", sagte der Pole.

Er verwies gleichzeitig auf die langwierige Prozedur des Artikel-7-Verfahrens, bei der die Mitgliedsstaaten mehrfach zustimmen müssen und ein Beschluss über Sanktionen einstimmig erfolgen muss. Polens Verbündeter Ungarn hat schon klargemacht, dass er mit seinem Veto eine solche Entscheidung verhindern würde.

Singende Proteste in Polen

Auch in Polen selbst gibt es weiter Widerstand gegen die Pläne der Regierung. Tausende Menschen haben sich am Donnerstag an singenden Protesten beteiligt. In Warschau versammelten sich die Demonstranten mit Kerzen in der Hand vor dem Präsidentenpalast und sangen zur Melodie eines Weihnachtsliedes einen Protestsong gegen die Beschneidung der Unabhängigkeit der Justiz.

Anschließend marschierten sie zum Parlament. Die Demonstranten forderten Staatschef Andrzej Duda auf, die vom Parlament beschlossenen Justizreformen nicht durch seine Unterschrift in Kraft zu setzen. "Wir erwarten vom Präsidenten, dass er sich gegen ein Gesetz stellt, das die Verfassung verletzt", sagte eine der Organisatoren, Weronika Waszewska, in einer Rede. Auch in anderen polnischen Städten gab es singende Proteste, darunter Danzig, Posen und Stettin.

Präsidentenkanzlei: Kein Anlass für Veto

Die Warschauer Präsidentenkanzlei sieht allerdings keine Notwendigkeit, die umstrittenen Justizgesetze zu stoppen. Das Parlament habe zwar Änderungen an den Reformen von Präsident Duda zu Oberstem Gericht und Landesjustizrat vorgenommen, doch die Entwürfe entsprächen weiterhin den von Duda gestellten Bedingungen, sagte dessen Sprecher Krzysztof Lapinski am Freitag im polnischen Radio Warszawa. "Derzeit gibt es keine Grundlage für ein weiteres Veto", sagte er.

Eine endgültige Entscheidung wird es aber erst geben, wenn Duda die Reformen vorliegen. Die zweite Parlamentskammer, der Senat, muss ihnen noch zustimmen. Das gilt als sehr wahrscheinlich, da die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) dort eine absolute Mehrheit hat. Sie treibt die Justizreformen voran. Der Sejm, das Unterhaus, hatte die Gesetze nach einigen Änderungen bereits vergangene Woche verabschiedet. (APA, red, 15.12.2017)