Paris/Wien – Schmiergeldaffären und technische Probleme fordern bei Airbus prominente Opfer. Der deutsche Konzernchef Tom Enders teilte dem Verwaltungsrat mit, dass er im April 2019 keine Verlängerung seines Mandates anstreben werde. Die Nummer zwei, der Franzose Fabrice Brégier, tritt schon im kommenden Februar zurück. Dies ermögliche einen Generationenwechsel, teilte Enders am Freitag mit. Er selbst wolle sich um einen möglichst "sanften Übergang" bemühen.

Brégiers Nachfolger wird der derzeitige Vorsteher von Airbus-Helicopters, der 49-jährige Franzose Guillaume Faury. Offen bleibt, wer Enders beerben wird. Um diesen Posten läuft hinter den Kulissen ein Machtkampf. Die Regierungen in Deutschland und Frankreich halten nach einer von Enders durchgezogenen Neuorganisation nur noch je 11,1 Prozent der Anteile und sind nicht mehr im Verwaltungsrat vertreten.

Spannungen absehbar

Der politische Einfluss geht darüber hinaus. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron besprechen sich regelmäßig. Spannungen sind abzusehen. Im Hintergrund zieht Verwaltungsratschef Denis Ranque die Fäden. Er soll für die Enders-Nachfolge schon drei Namen ins Spiel gebracht haben: Ex-Air-France-Chef Alexandre de Juniac sowie die beiden französischen Konzernchefs Patrice Caine und Thierry Breton.

Für Enders ist die unter Druck erfolgte Ankündigung bitter, weil er über Schmiergeldpraktiken stolpert, die er bekämpft hatte. Obskure Kommissionszahlungen französischer Vermittler, die über beste Kontakte in Golfstaaten verfügen, stoppte der Deutsche nur gegen große interne Widerstände. In der österreichischen Eurofighter-Affäre geriet er allerdings mit einem Dutzend weiterer Manager selbst ins Fadenkreuz der Justiz.

Im Visier der Ermittler

Im Mittelpunkt steht eine Londoner Firma, Vector Aerospace. Ausgestattet mit 114 Millionen Euro von Airbus, als der Konzern noch unter EADS firmierte, soll sie laut einem Spiegel-Bericht gewissermaßen als schwarze Kasse des Luftfahrtkonzerns gedient haben. Demnach konnten Ermittler bloß für neun Millionen Arbeitsnachweise ausfindig machen – der Rest soll über Briefkastenfirmen weiterverteilt worden sein. Zu den vermuteten Destinationen zählt mittlerweile keineswegs nur Österreich – die Staatsanwaltschaft München vermutete Ende 2016 Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Kauf. Was Airbus bestreitet: Vector sei bloß für das Besorgen von Gegengeschäften zuständig gewesen.

Inzwischen sollen Ermittler auf über hundert mögliche Korruptionszahlungen gestoßen sein. In Tunesien, Sri Lanka oder Mauritius liegen Verdachtsfälle vor, zu denen Airbus schweigt. Anders als bei einem Geschäft in Indonesien, bei dem sich Airbus bei der britischen Antikorruptionsbehörde selbst angezeigt hat. Im Vorjahr hat die Republik Österreich Anzeige wegen Betrugs gegen Airbus erstattet, zudem planen Münchener Staatsanwälte, Anklage gegen frühere EADS-Manager samt Hintermännern zu erheben.

Große Geschäftserfolge

All das ist bitter für Enders, denn "Major Tom", wie er intern genannt wurde, etablierte Airbus mit 67 Milliarden Euro Umsatz neben dem US-Rivalen Boeing und verbuchte große Geschäftserfolge. Der Riesen-Airbus A380 und der Militärtransporter M400 bleiben allerdings Sorgenkinder. Auch sonst häufen sich die technischen Probleme.

Obwohl die Auftragsbücher des Konzerns mit 134.000 Mitarbeitern auf Jahre hinaus gefüllt sind, herrscht große Unsicherheit. Am Hauptsitz in der französischen Pyrenäenstadt Toulouse soll laut Angestellten eine "miese Stimmung" herrschen. Enders erklärte am Freitag unbeeindruckt, er wolle die "Ethikprogramme" fortsetzen – also weiter ausmisten. All jenen stolzen und besitzstandwahrenden Airbus-Ingenieuren, die den forschen Reformkurs des Konzernchefs ablehnten, bedeutete Enders am Freitag: "Wir brauchen frische Köpfe für das nächste Jahrzehnt." Und das war nicht nur auf ihn selbst gemünzt. (brä; aha, 16.12.2017)