Die Freude der Liebe, "Amoris laetitia", von der Papst Franziskus in seinem päpstlichen Rundschreiben so schön schreibt, ist kein ausschließliches Gut für Heteropaare.

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Die Position der katholischen Kirche in Österreich erscheint einheitlich gegen die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare. Entschieden wird dessen Erkenntnis vom 4. Dezember von Bischöfen, Theologen und Vorsitzenden der Laienverbände abgelehnt.

Wenn ich im Religionsunterricht über diese Frage rede, merke ich, wie meine Kirche in dieser Frage nicht verstanden wird. Für fast alle Jugendlichen, mit denen ich darüber reden konnte, ist es gar keine Frage, warum gemischtgeschlechtliche Paare anders als gleichgeschlechtliche behandelt werden sollten. Als Religionslehrer begegnen mir dann sofort die berechtigten Anfragen vonseiten der Schülerinnen und Schüler: Warum stemmt sich die Kirche gegen eine Ehe für alle? Ist die Kirche im Kern nicht homophob eingestellt? Warum sind kirchliche Vertreter nicht froh darüber, wenn Diskriminierungen gegenüber Schwulen und Lesben endlich aufgehoben werden? Warum mischt sich die Kirche ein, wenn es um eine zivile Ehe geht?

Vergeblich warte ich auf innerkatholische Stellungnahmen, um sagen zu können: Nein, meine Kirche ist nicht so. Meine Kirche nimmt Schwule und Lesben in Schutz und signalisiert keine versteckte homophobe Grundtendenz. Meine Kirche begrüßt das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs für die Ehe für alle, weil auch sie gegen Diskriminierungen ist. Meine Kirche geht vielleicht so weit, dass sie aufgrund ihrer positiven Bewertung von Treue, Verlässlichkeit und ihrer wertschätzenden Haltung gegenüber der Sexualität auch die Sakramentalität gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Erwägung zieht.

Problematische Kritik am Verfassungsgerichtshof

Unabhängig vom konkreten Inhalt des Verfassungsgerichtshofs ist es aus politischer Sicht nicht unbedenklich, wenn dessen Erkenntnisse so massiv infrage gestellt werden oder wenn er überhaupt wegen seines Engagements kritisiert wird. Es liegt tatsächlich in der Kompetenz des Höchstgerichtes, die Rechtmäßigkeit von Gesetzen auch in einer Weise interpretieren zu können, die im Widerspruch zu politischen Kräfteverhältnissen stehen. Tatsächlich hat der Verfassungsgerichtshof immer wieder aufgrund seiner Kompetenzen sich quasi politisch eingemischt – und wohl fast ausnahmslos im Sinne dessen, was auch der Kirche wichtig war. Erinnert sei beispielsweise daran, dass der Verfassungsgerichtshof das Bettelverbot in Salzburg als unzulässig sah. Es könnte eine Zeit kommen, in der wir noch sehr froh sein könnten, wenn der Verfassungsgerichtshof auf der Basis von Menschenrechten tatsächlich ein Wächteramt ausübt.

Wenn der Staat gleichgeschlechtliche Ehen ermöglicht, verdeutlicht er, dass schwule und lesbische Beziehungen nicht länger einen minderen Status haben. Dadurch können Vorurteile aufgebrochen werden, und homosexuelle Paare stehen in einem Schutzverhältnis.

Zeugungsfähigkeit als Kriterium für eine Ehe?

Die Hauptkritik an der kirchlichen Position gegen eine Ehe für alle betrifft in erster Linie das Junktim von Ehe und Zeugung von Nachkommenschaft. Gegner der Homoehe, von FPÖ wie von Bischöfen kommend, sagen: Weil Ehe immer mit der Zeugung von Nachkommenschaft verbunden sei, könne es eine Ehe auch nur zwischen einem Mann und einer Frau geben, weil nur aus einer solchen Verbindung Kinder entstehen können.

Meine Schülerinnen und Schüler wundern sich jedenfalls mit einfachem Hausverstand über derlei Argumentationsweise. Da kann doch nicht die Fortpflanzungsfähigkeit als konstitutives Element von Ehe konstruiert werden, wenn diese auch bei vielen Heteropaaren längst nicht mehr, beispielsweise aufgrund von Alter oder anderen Umständen, gegeben ist.

Wesensmerkmale der Ehe: Freiheit und Treue

Warum treten nun Bischöfe auf, die von einer staatlichen Ehe reden, die sich von der kirchlichen immer weiter entferne? Auf die Gemeinsamkeiten wird kaum verwiesen. Dies ist erstens der Grundsatz der Freiheit. Eine Ehe kann nicht durch Zwang zustande kommen. Eine Homoehe würde prinzipiell nicht gegen diese Grundsäule verstoßen. Zweiter Wesenszug der Ehe ist die Treue. Untreue gilt auch aus staatlich-säkularer Perspektive als gesetzlicher Regelbruch. Ausgehend von diesem Wesenszug der Ehe würden gleichgeschlechtliche Paare klar dokumentieren, dass auch ihre Beziehungen nicht auf Vorläufigkeit, sondern auf Dauer angelegt sind. Die Freude der Liebe, "Amoris laetitia", von der Papst Franziskus in seinem päpstlichen Rundschreiben so schön schreibt, ist kein ausschließliches Gut für Heteropaare. Wenn, so der Papst, Zärtlichkeit als Bildnis für die Liebe Gottes gilt, so gilt dies wohl nicht nur für heterosexuelle Paare.

Heute wäre es höchst an der Zeit, wenn Vertreter der katholischen Kirche nicht nur davon ablassen würden, staatliche Regelungen und entsprechende höchstgerichtliche Entscheidungen zu kritisieren, die gegen jegliche Diskriminierung schwuler und lesbischer Paare sind, sondern vielleicht sogar einen Schritt weitergehen würden und auch die Sakramentalität der Ehe nicht ausschließlich auf heterosexuelle Paare beziehen würden.

Sakramentalität der Ehe auch für homosexuelle Paare

Das Einmaleins im katholischen Eheverständnis lautet, dass die Ehe ein "Natursakrament" ist und insofern einen besonderen Charakter hat, weil es nicht von einem Priester oder Bischof gespendet wird, sondern sich die Eheleute dieses Sakrament durch die freie Zusage selbst spenden. Natursakrament bedeutet, dass in einer ehelichen Beziehung von sich aus Transzendenzerfahrungen möglich sind, dass hier eine lebendige und wirksame Gegenwart des Göttlichen im menschlichen Leben und Tun vorhanden ist.

Wer sich auf eine Ehe einlässt, entscheidet sich ganz für einen Partner beziehungsweise eine Partnerin – und dies auf Lebenszeit. Das widerspricht dem Zeitgeist postmoderner Beliebigkeit und entspricht aber so ganz einem wesentlichen Punkt der traditionellen katholischen Ehelehre. Wer Ja zur Ehe sagt, stellt sein oder ihr Leben in den Dienst einer anderen Person, ist bereit, ganz für sie da zu sein in Gegenwart und Zukunft. In einer Zeit, in der mehr und mehr Menschen ohne Trauschein zusammenleben und in der fast die Hälfte aller Ehen wieder geschieden wird, ist es ein wunderschönes Zeichen, dass Schwule und Lesben die eheliche Lebensform für sich entdecken.

Ein Traum finaler Gleichberechtigung

Die Geschichte ist geprägt von einer Missachtung grundlegender Rechte für homosexuelle Menschen – und auch in der Geschichte der Kirche beschädigten homophobe und diskriminierende Urteile und Verhaltensweisen das Bild der Kirche. Umso mehr ist es zu bedauern, wenn die katholische Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung nun wieder so erscheint, als stünde sie mit ihrer Lehre und Praxis einer Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben im Wege.

Noch ist es nur eine Wunschvorstellung. Schwule und lesbische Paare können sich gleichberechtigt wie heterosexuelle Paare das Sakrament der Ehe spenden, und die Kirche erkennt solche Verbindungen an. Es wird eine Kirche sein, die sich von der Bürde und Schuld einer homophoben Vergangenheit endgültig befreit hat. Es wird deutlich sein, dass nie mehr Homosexualität und auch nicht homosexuelle Handlungen als solche als Sünde angesehen werden. Sünde ist der Missbrauch der Sexualität. Sünde ist der Sexismus und die Abwertung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. (Klaus Heidegger, 15.12.2017)