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Die #MeToo-Kampagne nahm in den USA ihren Anfang. In skandinavischen Ländern will man nun härter gegen sexuelle Gewalt vorgehen.

Foto: Reuters / Lucy Nicholson

Stockholm/Wien – "Die ganze Crew und alle Schauspieler waren im selben Hotel untergebracht. Abends habe ich zufällig mitgehört, wie sich der Regisseur und der Schauspieler, der meinen Ehemann spielt, unterhielten. Sie sprachen darüber, wer mich zuerst haben darf. Die ganze Nacht habe ich dann gehört, wie sie versuchten, in mein Zimmer zu gelangen – durch die Tür oder durch das Fenster."

456 schwedische Schauspielerinnen haben einen offenen Brief unterzeichnet, in dem anonym Fälle von sexueller Belästigung beschrieben werden. Knapp 2.000 schwedische Musikerinnen unterschrieben eine Petition, in der sexuelle Gewalt verurteilt wird. In Norwegen prangerten 1.001 Künstlerinnen Vergewaltigung, sexuelle Belästigung und Gewalt an.

Skandinavische Länder gelten in Sachen Gleichberechtigung als ausgesprochen fortschrittlich. Beim Gender Equality Index der EU wurde heuer Schweden Erster, gefolgt von Dänemark und Finnland (Österreich befindet sich im Mittelfeld). Und beim Global Gender Gap Index des Weltwirtschaftsforums steht Island an der Spitze, danach folgen Norwegen, Finnland, Ruanda und als Fünfter Schweden.

Vorfälle in höchsten Kreisen

Dies alles aber änderte nichts daran, dass die in den USA ihren Anfang nehmende #MeToo-Kampagne, in der Frauen weltweit ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt kundtun, auch in Skandinavien hohe Wellen schlug. Die ehemalige norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland etwa verriet in einem TV-Interview, dass sie als junge Ärztin von einem Kollegen sexuell belästigt wurde. Schwedens Außenministerin Margot Wallström erklärte, bei einem Abendessen mit europäischen Staats- und Regierungschefs vom Sitznachbarn begrapscht worden zu sein. Und beim schwedischen Nobelpreiskomitee gab es Vorwürfe gegen einen hochrangigen Funktionär.

Bereits in den vergangenen Monaten hieß es vonseiten der Regierung, man werde bald etwas konkret dagegen tun. Nun war es so weit. Schwedens Regierungschef Stefan Löfven erklärte Anfang der Woche in einer Weihnachtsrede: "Sex muss freiwillig sein. Und ist er nicht freiwillig, so ist er illegal." Konkret bedeutet das eine Verschärfung des Sexualstrafrechts. In Schweden ist eine Vergewaltigung schon jetzt breiter definiert als in anderen Ländern. Seit 2005 fällt darunter auch, wenn das Opfer in einem hilflosen Zustand ist, also unter Drogen steht, bewusstlos ist oder schläft. Seit 2013 gilt: Ist das Opfer bei vollem Bewusstsein, wehrt sich aber aus Angst nicht, ist das ebenfalls als Vergewaltigung zu werten.

"Nur Ja heißt Ja"

Nun soll die nächste Verschärfung des Sexualstrafrechts folgen: Vor und auch während des Geschlechtsverkehrs, etwa bei einem Positionswechsel, muss aktiv sichergestellt werden, dass der Partner das auch will. Ansonsten macht man sich, auch ohne Gewaltanwendung, strafbar. Das Grundprinzip "Nein heißt Nein" wird also durch "Nur Ja heißt Ja" ersetzt. Wie genau die Zustimmung aussehen soll, ist unklar. Von Fall zu Fall könne das unterschiedlich sein, erklärte Justizminister Morgan Johansson. In Stockholm wird mit einer Zustimmung des Parlaments für die Gesetzesnovelle gerechnet, die im Juli in Kraft treten soll.

In Norwegen fordern Opposition und NGOs ebenfalls ein solches Gesetz. Ein ähnlicher Vorschlag sei aber trotz positiver Anhörungen auf Eis gelegt worden, kritisierte Amnesty Norge. "Die Regierung hat wenig Interesse gezeigt, ernsthaft gegen Vergewaltigung vorzugehen", zitierte die norwegische Nachrichtenagentur NTB eine Sprecherin. Auch in Dänemark fordert die Opposition schärfere Gesetze.

Der Schauspielerin, die sich auf dem Zimmer vor ihrem Regisseur und ihrem Kollegen versteckte, wurde in jener Nacht kein Leid angetan. Sie bat einen anderen Schauspieler, den sie kaum kannte, sie zu beschützen – was er auch tat. (ksh, 20.12.2017)