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Seit Monaten liegt Jaroslaw Kaczynski, Chef der nationalkonservativen PiS, mit der Europäischen Kommission im Streit.

Foto: Reuters/AGENCJA GAZETA

Für die meisten Polen kommt das Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags, das die Europäische Kommission am Mittwoch gegen Polen einleitete, nicht unerwartet. Seit Monaten liegt Warschau, allen voran Jaroslaw Kaczynski, der mächtige Chef der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), mit der Europäischen Kommission wegen deren Rechtsstaatsbedenken im Streit.

Die Entscheidung der "Brüsseler Beamten gegen Polen ist eine politische – und für uns völlig unverständlich", gab denn auch PiS-Sprecherin Beata Mazurek die Argumentationslinie vor, der sich kurz danach Polens Außenminister Witold Waszczykowski sowie Polens neuer Regierungschef Mateusz Morawiecki anschlossen.

"Polen ist genauso wie die EU an die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit gebunden", versicherte Morawiecki via Twitter. "Die Reform des Gerichtswesens in Polen ist notwendig. Im Dialog zwischen Warschau und der Kommission benötigen wir Offenheit und Ehrlichkeit", lenkte er dann allerdings von den gegen seine Regierung erhobenen Vorwürfen ab.

Angriff auf Opposition

Obwohl die EU-Kommission erklärt hatte, dass die Verletzung des europäischen Rechts durch die PiS-Regierung – und insbesondere die jüngst verabschiedeten Gesetze zur Justizreform – den Ausschlag für die Auslösung des Verfahrens gegeben hätten, behauptet die PiS-Sprecherin, dass die Schuld daran ganz allein die Opposition trage. Deren "Denunziationen Polens in Brüssel waren erfolgreich", so Mazurek.

"Dies ist ein trauriger Tag für alle Polen, die große Hoffnungen in die Mitgliedschaft ihres Vaterlands in der EU gesetzt hatten", kommentiere in Brüssel auch Donald Tusk, EU-Ratspräsident und ehemaliger Premier Polens, der selbst mit der PiS seine Probleme hat. "Angesichts der Weigerung der polnischen Regierung, den Dialog mit Brüssel aufzunehmen und verfassungswidrige Gesetze zurückzunehmen, blieb der Europäischen Kommission am Ende keine andere Wahl mehr", erläuterte der ehemalige Chef der liberalkonservativen Bürgerplattform, die heute die größte Oppositionspartei Polens stellt.

"Ein-Mann-Show"

Ganz anders reagierte Ryszard Czarnecki, PiS-Abgeordneter im Europäischen Parlament: "Das sind Märchen", amüsierte er sich über die Vorwürfe des Rechtsbruchs durch seine Partei. In Wirklichkeit, so Czarnecki, wolle die Kommission Polen dafür abstrafen, dass es "keine Flüchtlinge aufgenommen hat, keine Moslems". Lachend versicherte er, dass es weder Sanktionen gegen Polen geben werde, noch am Ende gar das Stimmrecht entzogen würde, da das Land durchaus Verbündete, wie beispielsweise Ungarn, in der EU habe. Man müsse die "Ein-Mann-Show" von Kommissions-Vize Frans Timmermans nicht ernst nehmen.

Präsident unterzeichnete zwei weitere Justizgesetze

Und so unterzeichnete der polnische Staatspräsident Andrzej Duda am Mittwochabend gleich zwei weitere umstrittene Justizreformen. Die zwei Reformen betreffen das Oberste Gericht und den Nationalen Justizrat.

"Wir führen in Polen sehr gute Lösungen ein, die das Justizwesen effizienter machen", sagte Duda in einer Fernsehansprache. "Der demokratische Charakter des Justizsystems wird gestärkt." (Gabriele Lesser aus Warschau, red, 21.12.207)