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Gelb-rote Streifen und manchmal auch einsame Sterne: Kataloniens Flaggen haben hohe Symbolkraft.

Foto: AP / Emilio Morenatti

Barcelona/Wien – Korruption, Spekulation und eine politische Klasse in Madrid, die den demokratischen Bestrebungen in Barcelona das Verlangen nach völliger Kontrolle entgegensetzt. So, wie die separatistisch-katalanische Plattform "El Nacional" in einem kurzen Geschichtsabriss das Jahr 1641 schildert, könnte man tatsächlich zu jenem Schluss kommen, den die Autoren sich wünschen: dass sich in den vergangenen 400 Jahren auf der iberischen Halbinsel nur wenig geändert hat – seit der ersten Ausrufung der katalanischen Unabhängigkeit.

Tatsächlich sind die Parallelen zwischen heute und damals natürlich längst nicht so groß. Insgesamt drei katalanische Unabhängigkeitserklärungen hat es seit 1641 gegeben. Einiges haben sie alle tatsächlich gemeinsam: zum Beispiel eine harte Reaktion aus Madrid, die den katalanischen Staat meist nur wenige Tage Bestand haben ließ. Weiters Auswirkungen auf das katalanische Geschichtsbewusstsein, aus dem sich die separatistischen Bewegungen bis heute speisen.

Im Narrativ, das viele Nationalisten besonders betonen, geht es meist um einen entscheidenden Unterschied: Während in Madrid Befehle des Königshauses oft ohne Umschweife ausgeführt wurden, gab es in Katalonien schon seit 1192 die Corts: Ständevertretungen aus Vertretern des Adels, reicher Bürger und des Klerus, die zwar wenig mit dem heutigen Verständnis von Demokratie zu tun hatten, in bestimmten Fällen aber immerhin mitreden durften. Sie überlebten sogar das Jahr 1479.

Sieben Tage Unabhängigkeit

Damals vereinte die Heirat Ferdinands von Aragón – das damals auch weite Teile des heutigen Kataloniens umfasste – und Isabellas, der Königin des benachbarten Kastiliens, beide Gebiete unter einer gemeinsamen Herrschaft.

Die Corts sollten auch die sieben Tage der katalanischen Republik überstehen, die 1641 mit französischer Unterstützung ausgerufen worden war. Auslöser waren die Unzufriedenheit mit der Madrider Regierung sowie die Stationierung spanischer Truppen in Katalonien. Die Republik endete damals mit einer spanischen Intervention, die Sonderrechte Kataloniens blieben aber unberührt. Vorerst. Denn 1714, als die Bourbonen den Spanischen Erbfolgekrieg gewannen, war es auch damit vorbei – die Katalanen hatten zu ihrem Unglück die Habsburger unterstützt.

Der Verlust der Rechte und der katalanischen Sprache, die damals verboten wurde, blieb in Erinnerung: Den Tag der Niederlage, die "Diada" am 11. September, begehen die Katalanen noch immer. In den vergangenen Jahren haben sie die Separatisten für Massenaufmärsche im Zeichen der Senyera genützt – der rot-gelb-gestreiften Flagge Aragóns, die mittlerweile jene Kataloniens wurde.

Sie hat aber von einem anderen Symbol Konkurrenz, das an die Zeit der zweiten Unabhängigkeitserklärung erinnert: Die Estelada, ebenfalls gelb-rot-gestreift, aber mit einem Stern versehen, entwarfen katalanische Künstler in den 1920er-Jahren. Sie sollte die Nationalfarben mit den Flaggen Kubas und Puerto Ricos kombinieren, jener Kolonien, die Spanien in den Jahren zuvor verloren hatte. Einen ähnlichen Weg erhofften sich viele auch für ihre mittlerweile stark industrialisierte Region. Sie stellten die Vision einer katalanischen Republik der spanischen Diktatur der 1930er-Jahre entgegen. Doch dieser Traum hielt nicht viel länger als die Diktatur. Bei Lokalwahlen 1931 gewannen republikanische Kräfte große Mehrheiten. Am 14. April riefen sie die Spanische Republik aus. Am gleichen Tag erklärte auch Katalonien seine Unabhängigkeit "als Republik innerhalb der Iberischen Föderation" – mit der Senyera als Flagge.

Republik und Autonomie

Das kann man durchaus als Symbol sehen: Denn nach Verhandlungen begnügte sich Barcelona drei Tage später mit einer Autonomie innerhalb der spanischen Republik. Beide, Republik und Autonomie, währten aber nicht lang: Der spanische Bürgerkrieg stoppte die Autonomie, der Sieg Francisco Francos 1939 brachte das Ende der Republik.

Erst als es 1975 auch mit Francos Diktatur vorbei war, kehrten die katalanische Sprache und die Autonomie wieder zurück. Mehrere Volksabstimmungen über die Unabhängigkeit haben Separatisten in Katalonien seither inszeniert, meist mit dem Argument, dass das wohlhabende Katalonien mehr in die spanischen Kassen einzahle, als es zurückbekomme – und meist mit geringen Folgen.

Erst seit 2010, als das spanische Verfassungsgericht 2010 ein weitreichendes Autonomiestatut von 2006 teilweise aufhob, hat sich die Stimmung wieder verschärft. Zum wirtschaftlichen Argument ist seither wieder das demokratische gekommen. (Manuel Escher, 21.12.2017)