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Der bisherige Vizepräsident Südafrikas Cyril Ramaphosa wurde zum Vorsitzenden der B I L D U N T E R S C H R I F T: Regierungspartei ANC gewählt, was als Vorentscheidung für die Präsidentschaftswahl gilt.

Foto: AP / Themba Hadebe

Die von vielen erwarteten Saalschlachten blieben zunächst zumindest aus: Ihre tiefsitzenden Differenzen trugen die fast 5000 Delegierten des historischen Parteitags des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) auf den Stimmzetteln und mit Gesangswettbewerben aus. Erst in der Nacht auf Donnerstag, den letzten Tag der fünftägigen Konferenz, flogen schließlich auch die Fäuste: als es um eines der heißes- ten südafrikanischen Themen, die Landreform, ging. Hätte Gwede Mantashe, der auch körperlich mächtige scheidende Generalsekretär, nicht eingegriffen, wäre der Parteitag in letzter Minute womöglich doch noch geplatzt, berichten Zeugen der Rauferei.

Dass keine Stühle flogen, war nur dem Umstand zu verdanken, dass diese mit Kabelhaltern aneinander festgebunden waren. Gegenüber standen sich einmal mehr: die Anhänger des scheidenden Präsidenten Jacob Zuma, die die Möglichkeit entschädigungsloser Landenteignungen fordern, und die Gefolgsleute des neuen Parteichefs Cyril Ramaphosa, die von solchen Maßnahmen simbabwische Verhältnisse und eine weitere Investorenflucht befürchten. Neun Jahre lang gelang es der Regierung Zuma nicht, in der Landfrage Fortschritte zu erzielen. Dafür soll nun sein Nachfolger den Hammer schwingen. Dabei sucht Ramaphosa dem Stillstand des Landes eher mit Überzeugungskunst als mit Drohungen auf die Sprünge zu helfen. Er will der ungerechten Verteilung des südafrikanischen Wohlstands mit ökonomischem Wachstum, sozialdemokratischen Reformen und dem Wohlwollen der Wirtschaftskapitäne begegnen.

Schallendes Unentschieden

Die Rauferei wurde schließlich, wie jeder andere Parteitagskonflikt, mit einem Kompromiss beendet. Enteignungen ohne Entschädigung sollen tatsächlich mit einer Verfassungsreform angestrebt werden – doch nur zur Anwendung kommen, wenn sie zu keiner Schwächung der Landwirtschaft führen. So schuf sich die pragmatische Ramaphosa-Fraktion ein Schlupfloch. Der Fall ist nur ein Beispiel für alle Entscheidungen der Konferenz. Auch bei der Wahl des Nationalen Exekutivrats, des höchsten Entscheidungsgremiums der Partei, kam ein schallendes Unentschieden heraus. Den 80-köpfigen Rat werden sich 40 Freunde Ramaphosas mit entsprechend vielen Anhängern Zumas teilen. Darunter sind auch führende Parteifunktionäre und Minister, die in einem funktionierenden Rechtsstaat bereits hinter Gittern sitzen würden. Ramaphosa ist auf den Rat angewiesen, um Zuma noch vor Ablauf seiner Amtszeit auch als Staatspräsident ablösen zu können.

Seine Gefolgsleute hatten gehofft, dass Ramaphosa schon die traditionelle Regierungserklärung im Februar in Kapstadt abgeben könnte. Nach dem Resultat der Exekutivratswahl sieht es nicht danach aus. In seiner mitternächtlichen Antrittsrede machte Ramaphosa deutlich, wo seine Stärke liegt: im Ausgleich. Der neue Parteichef lobte alle "Comrades" gleichermaßen, die Konferenz nicht – wie von ANC-Kritikern erwartet – an die Wand gefahren zu haben.

Lob und Kampfansagen

Er nahm sogar den Slogan der Zuma-Fraktion mit der Forderung nach "radikaler wirtschaftlicher Transformation" auf und dank- te seinem Vorgänger für dessen "Beitrag im Befreiungskampf über viele Jahrzehnte hinweg". Selbst in Zumas neunjähriger Regierungszeit fand Ramaphosa etwas Lobenswertes: den Kampf gegen Aids und die Verabschiedung des Nationalen Entwicklungsplans, den Ramaphosa allerdings selbst mitformuliert hat.

In seiner Rede fehlten auch der Ruf nach einer ANC-Reform und die Kampfansage an die Korruption nicht, die "unsere Wirtschaft Milliarden an Rand gekostet" habe. Die dafür Verantwortlichen vermied Ramaphosa aber namentlich zu nennen: Viele von ihnen sitzen schließlich mit ihm in der Chefetage der Parteizentrale. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 21.12.2017)