Nach 18 Jahren Albertina nicht müde: Klaus Albrecht Schröder.

Foto: Heribert Corn

Wien – "Da werden Sie jetzt enttäuscht sein", sagt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder auf die Frage, ob er einen Weihnachtswunsch an die neue Regierung hat. Er habe überhaupt keine Entzugserscheinungen, wenn sich ein Regierungsprogramm nicht zu sehr der Kulturpolitik widme. "Ich sehe keinen Vorteil darin, wenn in einem Jahrzehnt fünf Kulturminister jeweils völlig neue Ideen haben und Tanker wie die Albertina dann gefühlt alle fünf Minuten das Steuerrad komplett herumdrehen müssen."

Längstdienend ist zwar korrekt, aber eigentlich das falsche Wort, wenn man über Schröder spricht. Dienen, unterwürfig sein, sich klein machen? Keine Kategorien für den 62-Jährigen. Er führt sein Museum nicht nach den Gesetzen des Elfenbeinturms, sondern nach der Lehre von Marketing und Expansion: "Wenn wir jeden politischen Kurswechsel, der von außen zugerufen wird, mitgemacht hätten, wären wir längst gesunken." Die bisherigen Minister hätten das so verstanden, und der Neue, Gernot Blümel (ÖVP), werde das vielleicht ähnlich sehen.

Seit 1999 steht er an der Spitze der Albertina, so lange wie kein anderer derzeitiger Bundesmuseumschef. Die hat er vom Grafikkammerl zum "Kunsttanker für alle Welt" ausgebaut. In Besucherzahlen heißt das, dass man nach rund 10.000 Gästen bei Amtsantritt heute bei rund 800.000 jährlich liegt – möglich gemacht durch große bauliche Erweiterungen. Die schufen viel Raum für Ausstellungen neben dem einstigen Kerngeschäft Grafik. Für Fotografie und publikumswirksame Malerei der klassischen Moderne.

Seit 2007 hat sich die Dauerleihgabe Sammlung Batliner unter dem Label "Monet bis Picasso" längst im Stadtbild verfestigt.

Ein Dauerbrenner, der Schröder nicht davon abhält, Jahr für Jahr zusätzliche Raketen zu zünden: 2017 ist das mit Schiele gelungen, für Raffael prognostiziert Schröder am Ausstellungsende 350.000 Besucher. Der Erfolg führt das Haus an seine Belastungsgrenzen, bei 1,2 Millionen Besuchern sieht er das Limit erreicht.

Heute schützen Plastikzelte beim stundenlangen Anstehen am Wochenende. Tickets können vorab online gelöst werden, die Abendöffnungszeiten hat man ausgedehnt. 60 Prozent der Besucher sind Touristen, es fehle aber das Rückgrat des Zwangsbesuchers – also die organisierten Reisegruppen, die etwa Belvedere und Kunsthistorisches Museum frequentieren. In der Albertina zählten vor allem Individualbesucher. Der steigende Andrang asiatischer Touristen erfordere, dass man auch früher aufsperre: "Die haben einen Jetlag, sind ab ein Uhr putzmunter und wollen um neun vor der Tür stehen."

Flexibilität beweist Schröder nicht nur bei den Öffnungszeiten, sondern auch mit dem jüngsten Kraftakt: der Übernahme der Sammlung Essl als Dauerleihgabe für 25 Jahre. Sie soll mithilfe des Mehrheitseigentümers Hans Peter Haselsteiner ab März 2019 im generalsanierten Künstlerhaus gezeigt werden. Und war museumspolitisch nicht unumstritten.

Drozdas "Fehler"

Kritiker stießen sich nicht nur an Qualitätsfragen, sondern vor allem auch an den Kosten, die der öffentlichen Hand entstehen, obwohl diese eine Rettung der Sammlung eigentlich schon ausgeschlossen hatte. Die Qualität, daran lässt Schröder keinen Zweifel, sei auch nach Notverkäufen bedeutender Werke absolut gegeben. Und bei der Finanzierung habe Ex-Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) eigentlich nur einen Fehler in der Kommunikation gemacht, sagt Schröder.

Jene 1,1 Millionen, um die die jährliche Basissubvention des Hauses angehoben werden sollte, sei in Wahrheit nur eine Angleichung der Subvention an die anderen großen Museen: "Wir haben 7,7 Millionen, das Mumok zum Beispiel 8,9. Das ist natürlich auch den Kulturministern der letzten Jahre aufgefallen." Schon Claudia Schmied und Josef Ostermayer (beide SPÖ) hätten erhöhen wollen, Drozda habe sich nun gedacht, mit der Sammlung Essl hätte er einen Anlass. "Im Übrigen sind es dann nur 850.000 Euro geworden. Jetzt kann ich darüber jammern und mir Sorgen machen oder dankbar sein und sagen, wir werden es halt schaffen, weil wir es schaffen müssen. Sorgen gehören nicht zu meiner Psyche. Das habe ich mir abgewöhnt."

Entsprechend optimistisch zeigt sich Schröder auch, dass der Deal hält – trotz Regierungswechsels und eines zuletzt wenig begeisterten ÖVP-Finanzministeriums. Dass er für die Programmgestaltung im Künstlerhaus allerdings noch mehr bräuchte als die geforderten 1,1 Millionen, sei klar: "Wir können keinen zweiten Standort, der doppelt so groß wie das 21er-Haus ist, aus dem querfinanzieren, was wir schon haben. Wer das glaubt, der überschätzt mich."

Ankauf und Verkauf

Mit dem Umbau des Künstlerhauses liege man nach einer Verzögerung wegen Grabungsfunden voll im Plan. "Die Verträge sind gemacht, die Albertina zahlt weder Miete noch Betriebs- und Personalkosten, das übernimmt alles Hans Peter Haselsteiner." Es werde laufend wechselnde Ausstellungen geben, auch zu bislang vernachlässigten Feldern österreichischer Kunst nach 1945. Lücken in der Sammlung Essl, wie etwa den Phantastischen Realismus, würde Schröder gerne schließen – durch Schenkungen einerseits, aber auch durch Ankäufe, die im Ermessen Haselsteiners lägen.

Um Essls Schulden bei Haselsteiner erheblich zu verkleinern, gelang es, dem deutschen Sammler Reinhold Würth im November ein zusammengestelltes Konvolut von 150 Werken zu verkaufen. Würth sprach von "Filetstücken", Schröder herunterspielend von "Doubletten". "Kein Widerspruch", sagt Schröder, "denn in der Sammlung finden sich viele Werke von gleichem Rang."

Was er weiters nicht versteht, ist, dass der nicht abgesprochene Essl-Deal für Unmut in der Museenkonferenz sorgte: Jeder hätte um die Schwierigkeiten gewusst, gekümmert habe sich kein anderer Direktor darum. "Also soll man nicht überrascht tun. Den Wunsch nach Einbeziehung des Kulturministeriums in die Konferenz haben wir auch ohne Gesetzesbeschluss schon freiwillig umgesetzt, und das finde ich gut. Die Abstimmung war schon bisher besser als ihr Ruf."

Zum Beispiel beim Klimt-Schiele-Moser-Gedächtnisjahr 2018. Schröder, kein "Jubiläumsjahr-Fetischist", entschloss sich, dem "Overkill" einfach "auszuweichen". Seine Publikumsmagnete sind Keith Haring und Claude Monet, die er zeitgleich jeweils mit Gegensätzen programmiert hat: Sanft antwortet Das Wiener Aquarell etwa einem "den Besucher bei der Gurgel packenden" Haring.

Warum Schröder erst für, dann gegen die Idee eines eigenen Fotomuseums gewesen sei, erklärt er damit, dass ihn Spezialisten eines Besseren belehrt hätten. Zunächst lockten ihn Räume in unmittelbarer Albertina-Nähe, die waren aber nicht finanzierbar. Letztlich zur Einsicht über "die eigene Naivität" brachte ihn das Argument, dass selbst das Fotomuseum in Chicago als Stand-alone-Haus zusperren musste. Die neue Regierung solle die Fotomuseum-Idee ruhen lassen, meint Schröder.

Keinen Rat hat er bezüglich seiner Vertragsverlängerung über 2019 hinaus: "Ich hatte aber bis jetzt das Glück, dass mich noch jeder Minister verlängern wollte." (Stefan Weiss, Anne Katrin Feßler, 22.12.2017)