Der norwegische Regisseur Stefan Herheim übernimmt 2022 die Leitung des Theaters an der Wien.

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Man schrieb das Jahr 2003, als der Intendant der Salzburger Festspiele Peter Ruzicka Mut bewies: Er engagierte einen unbekannten Regisseur und betraute diesen mit der Inszenierung von Mozarts "Entführung aus dem Serail". Stefan Herheim ließ den Klassiker als turbulente Abhandlung über die Untiefen menschlicher Beziehungen explodieren. Er dehnte Szenen, er extrapolierte Pointen, und er bescherte Salzburg einen schönen Skandal.

Nun war der 1970 in Oslo geborene Norweger alles andere als ein Regiespekulant, der durch deftige Werkdekonstruktion Aufmerksamkeitspunkte sammelte. Herheim, der sich als Cellist ausbilden ließ, war vielmehr von jeher ein Besessener des Musiktheaters. Frühe Regieerfahrungen sammelte er bei sich selbst. Er initiierte sein eigenes Marionettentheater; später (1994 bis 1999) studierte er in Hamburg bei Götz Friedrich und schloss die Ausbildung mit einer "Zauberflöten"-Inszenierung ab.

Fantasievolle Inszenierungen

Herheim, der zu Recht nicht auf einen speziellen Stil festgelegt werden möchte, nimmt die Oper als offenes Kunstwerk ernst. Er baut mitunter zwar mehr gute Ideen ein, als eine Inszenierung zu verdauen vermag. Als assoziativer Regisseur, der die Energie und den Atem der Musik aufnimmt, lässt er seine Inszenierungen jedoch in der Regel fantasievoll abheben. "Man hat ja immer ein Bild vom Stück, das mehr mit der Rezeptionsgeschichte zu tun hat als mit dem Stück selbst", so Herheim.

"Ich versuche mich davon freizumachen, in die Partitur einzutauchen, zu sehen, wo der Inhalt ist." Die Handlung kenne ja "jeder, das ist das Äußerliche. Aber die Handlung ist doch nie der Inhalt." Herheim sucht ihn tiefer: "Ich versuche aus der Dynamik der Partitur heraus zu theatralisieren."

Impulsiver Regisseur

Die Vieldeutigkeit der Musik wird bei ihm dabei zur Legitimation jener Freiheit, die er sich nimmt – ob er nun in Bayreuth "Parsifal" inszeniert oder in Bregenz "Hoffmanns Erzählungen". Peinlicherweise hat Herheim noch nie an der Wiener Staatsoper gearbeitet.

Tja. 2022 kommt Herheim eben ans Theater an der Wien, was sehr zu begrüßen ist. Mit seiner Ausrichtung als mutiges Haus der mitunter neuen Sichtweisen passt es ideal zum Norweger. Als impulsiver Regisseur wird er zwar auch Administratives zu erledigen haben, aber Herheim scheint gewappnet: "Opernhäuser waren zwar immer meine Tempel, aber man muss ins reale Leben zurückkehren können, um Ideen zu sammeln und um nicht auszubrennen." (Ljubiša Tošić, 21.12.2017)