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Die Zahl der Todesfälle im Job durch Drogenmissbrauch stieg in den USA im vergangenen Jahr um 22 Prozent an. Nur die Zunahme bei Gewaltdelikten war ähnlich imposant.

Foto: U.S. Border Patrol

Washington/Wien – Es ist eine absolut ungewöhnliche Entwicklung, die unter industrialisierten Ländern nur die Vereinigten Staaten durchleben. Im Gegensatz zum allgemeinen Trend, wonach Menschen in wohlhabenden Ländern von Jahr zu Jahr immer etwas länger leben, sinkt die Lebenserwartung in den USA derzeit.

Das National Center for Health Statistics in Washington veröffentlichte am Donnerstag neue Zahlen, wonach nach 2015 die Lebenserwartung im Land auch 2016 um einen Monat abgenommen hat. Die Ursache dafür lieferten die Behörde gleich mit: Die Drogenkrise im Land fordert immer mehr Menschenleben.

2016 starben 63.600 Menschen in den USA an Substanzmittelmissbrauch, zwei Drittel davon sind auf die Einnahme von Heroin oder diversen Schmerzmitteln wie Fentanyl zurückzuführen, der Rest vor allem auf Alkohol. Das ist ein massiver Anstieg bei den Drogentoten in Höhe von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, und das Center for Health Statistics schätzt, dass sich der Anstieg 2017 fortsetzt.

In den USA sorgen nicht nur diese Zahlen für Schlagzeilen, auch über die wirtschaftlichen Folgen der Drogenepidemie wird immer hitziger diskutiert.

Die andere Jobkrise

Bereits seit Monaten geistern Geschichten durch die Medien, wonach Unternehmen Schwierigkeiten dabei haben, Mitarbeiter zu finden, weil so viele Bewerber durch Drogentests fallen.

Heroin- und Schmerzmitteleinnahme dürften auch einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass dem US-Arbeitsmarkt zehntausende Menschen fehlen. Die US-Wirtschaft hat sich in den vergangenen zwei bis drei Jahren massiv erholt, die Arbeitslosenquote liegt nur mehr bei vier Prozent. Doch nach der Krise 2008 ist die Beschäftigung eingebrochen, und sie hat sich nicht erholt, im Gegenteil. Heute arbeiten im Verhältnis zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wesentlich weniger Menschen in den USA als noch 2007. Unter Drogensucht leiden vor allem Menschen im Alter zwischen 25 und 55, also im besten Berufsalter. Laut US-Notenbank Fed ist dies eine der Ursachen dafür, dass sich die Beschäftigungsquote nicht erholt.

Auf einen ganz anderen Aspekt machte diese Woche das US-Arbeitsministerium mit der Veröffentlichung von Zahlen zu den Todesfällen am Arbeitsplatz aufmerksam. Die Zahl der Menschen, die während der Arbeitszeit versterben, steigt stark an – und auch hier scheinen Drogen eine wichtige Rolle zu spielen. Die Zahl der Todesfälle im Job durch Drogenmissbrauch stieg im vergangenen Jahr um 22 Prozent an. Nur die Zunahme bei Gewaltdelikten war ähnlich imposant.

Ende November hat der Council of Economic Advisers, ein Ökonomenteam, das US-Präsident Donald Trump berät, eine Studie dazu vorgelegt, was die Drogentoten die US-Wirtschaft kosten. Als Basis herangezogen wurden die durchschnittlichen Produktivitätswerte pro Kopf und die erwartbare Lebenserwartung. Die Todesfälle durch Heroin, Fentanyl und andere Opiate richteten demnach einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von etwas mehr als 500 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 an, was drei Prozent der US-amerikanischen Wirtschaftsleistung entspricht.

Starke Auswirkungen auf den Wohlstand

Diese Zahl ist ein Schätzwert, andere Studien geben die wirtschaftlichen Kosten für die Drogenkrise niedriger an. Doch an der Kernaussage, dass das Drogenproblem inzwischen auch starke Auswirkungen auf den Wohlstand im Land hat, zweifelt inzwischen keiner der Experten.

Die Drogenproblematik spielt selbst in den Debatten über die soeben verabschiedete Steuerreform eine Rolle. Die Republikaner haben ja die größte Steuersenkung seit 30 Jahren auf den Weg gebracht. Sämtliche Untersuchungen der namhaften Thinktanks kommen zum Ergebnis, dass von dem Entlastungspaket vor allem Menschen mit hohem und höherem Einkommen profitieren.

Laut den Demokraten wird die Entlastung die Ungleichheit in den USA weiter verstärken und damit zu noch mehr sozialen Spannungen innerhalb der Gesellschaft führen. Weniger Steuereinnahmen bedeuten zudem auch, dass Geld für den "Krieg" gegen die Drogen fehlt, den US-Präsident Trump erst vor wenigen Wochen ausgerufen hat, so einige demokratische Abgeordnete. Die Drogenkrise könnte sich also auf absehbare Zeit verschärfen, so die Warnung. (András Szigetvari, 22.12.2017)