Putick leert die heiße Zuckermasse auf eine Metallplatte. Dort wird sie eingefärbt.

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Wien – Wer eine Willy-Wonka-Welt erwartet, wird in der Zuckerlmanufaktur im siebten Wiener Gemeindebezirk enttäuscht werden. Bei Nobnobs – verkehrt für Bonbons – stoßen Kunden vielmehr auf ein steriles Geschäftslokal, das eher an einen Designshop erinnert als an einen Kindertraum. Lediglich der süße Geruch, der beim Betreten des Geschäfts in die Nase steigt, weckt Kindheitserinnerungen. Hier wird – anders als bei Herrn Wonka – aber auch keine Schokolade produziert, sondern eine große Menge Zuckerln – bis zu 40 Kilogramm pro Tag.

In Österreich gibt es nur eine Handvoll Produzenten, die Zuckerln händisch herstellen. Das war nicht immer so: In Zeiten der Monarchie war vor allem Wien für seine Zuckerln bekannt. Johann Strauss (Sohn) komponierte gar einen Walzer über die Bonbons der Bundeshauptstadt. Wiener Zuckerln – die heute kaum mehr händisch hergestellt werden – sind eines der letzten Überbleibsel aus früheren Zeiten.

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Stephan Putick ist einer jener wenigen, die das klebrige Handwerk wiederauferstehen lassen. Anfangs hat die Eröffnung einer Zuckerlmanufaktur bei Behörden für Verwirrung gesorgt, erinnert sich der heute 34-Jährige: "Es gab keine Beispiele für die Zuckerlherstellung, die notwendigen Auflagen zu erfahren war schwierig." Während es in Deutschland eine Ausbildung für die Tätigkeit gibt, fällt sie in Österreich unter das Konditorenhandwerk.

Nächtliche Produktion

Bevor der gebürtige Wiener 2015 sein Geschäftslokal in der Neubaugasse eröffnete, stellte er die Plombenzieher in Großküchen von Restaurants nach deren Öffnungszeiten – also meistens in der Nacht oder am Wochenende – her. Heute produziert und verkauft Putick in dem Geschäftslokal 25 Sorten. Die kühlen Monate sind die Hauptproduktionszeit.

Im Sommer können keine Zuckerln hergestellt werden, diese würden gleich zusammenkleben, sagt Putick. Wärmeaussetzung und Luftfeuchtigkeit seien auch beim Versand eines der größten Probleme: Nobnobs verschickt Pakete bis nach Neuseeland, in den USA seien vor allem Hochzeitszuckerln beliebt.

Stephan Putick hat seine Zuckerlleidenschaft über Youtube entdeckt.
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Der Unternehmer hat seine Leidenschaft während seines BWL-Studiums "zufällig auf Youtube entdeckt", die Faszination habe ihn dann nicht mehr losgelassen. Nach einem Praktikum in Deutschland machte sich der gelernte Koch selbstständig. Heute knetet und formt Putick die Zuckermasse selbst, Kunden können fast den gesamten Prozess mitverfolgen.

Lediglich die ersten Schritte finden im Hinterraum, fernab von neugierigen Augen, statt. In einer Küche, die ein wenig an ein Drogenlabor, wie man es aus Filmen kennt, erinnert, blubbert eine Mischung aus Glukosesirup, Zucker und Wasser bei 150 Grad Celsius vor sich hin. Hier werden die Geschmäcker in Form von ätherischen Ölen – von Granatapfel bis Kakao-Chili – hinzugefügt. Die Masse, die in diesem Stadium noch sehr empfindlich ist, wird allgemein "Zuckerprinzessin" genannt.

Masse muss in Bewegung bleiben

Hat die Flüssigkeit die richtige Temperatur und Konsistenz erreicht, wird sie auf einer Metallplatte eingefärbt und abgekühlt. Der Weg dorthin ist von schnalzenden Geräuschen begleitet – der Boden in der Manufaktur klebt fast überall. "Die Masse muss immer in Bewegung bleiben", sagt Putick, der den Zuckerberg mit Spachteln hin- und herbewegt.

Danach startet der für den Produzenten anstrengendste Teil: Die Rohmasse, die rund acht Kilogramm wiegt, muss händisch immer wieder über einen Haken gezogen werden. Dadurch kommt Luft in die Zuckerln, was sie weicher und voluminöser macht – "ähnlich wie das Eiweißschlagen beim Backen".

Die Motive in den Zuckerln stellen auch den Geschmack dar.
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Anschließend werden die Muster, die letztlich im Zuckerl zu sehen sind, gelegt. Die richtigen Formen zu finden "ist ein Geduldsspiel", erzählt Putick. Die Motive, die später den Geschmack der Süßigkeiten darstellen – beispielsweise Erdbeeren für Erdbeerzuckerln -, werden in eine rund 15 Zentimeter breite "Wurst" gelegt. Diese zieht Putick händisch in die Länge, bis sie fingerdick ist.

Hat alles funktioniert, bleiben dünne Stangen mit den jeweiligen Motiven übrig. Diese werden zu guter Letzt in kleine Stücke gebrochen. "Die Zuckermasse verhält sich dabei ähnlich wie Glas", meint Putick und steckt sich ein fertiges Zuckerl – heute eines mit Smiley-Gesicht – in den Mund. (Nora Laufer, 23.12.2017)