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Plakate der Regierung sollten die Ungarn zur Teilnahme an einer Befragung zum sogenannten "Soros-Plan" motivieren.

Foto: Reuters/Bernadette Szabo

Von der Regierungspartei Fidesz geführte Stadtverwaltungen in Ungarn setzen derzeit Menschen und Organisationen unter Druck, die sich humanitär engagieren und von Stiftungen des US-Milliardärs George Soros unterstützt werden. Bürgermeister, Parlamentsabgeordnete und andere örtliche Fidesz-Granden in den Städten Pécs, Debrecen, Székesfehérvár und Kaposvár riefen dazu auf, von der Soros-Stiftung eingerichtete Zivilbüros vor Ort zu boykottieren. Niemand dürfe an sie Immobilien vermieten oder mit ihnen kooperieren, hieß es in den Aufrufen.

Der Grund: Unter der Tarnung der humanitären Tätigkeit würden diese "scheinzivilen Organisationen" für die "Migrationspolitik" von George Soros arbeiten. "Sie beschäftigen sich scheinbar mit der Unterstützung der Armen, werden aber später in der Migrationspolitik eine andere Rolle erhalten", behauptete der Fidesz-Fraktionschef Lajos Kósa, der von 1998 bis 2014 Bürgermeister von Debrecen war, ohne irgendwelche Beweise vorzulegen.

Monatelange Kampagne gegen Soros

Tatsächlich hatte Soros nach einer monatelangen Kampagne der Fidesz-Regierung gegen seine Person und nach dem Erlass eines repressiven NGO-Gesetzes im vergangenen Sommer beschlossen, neue Gelder für humanitäre Organisationen in der ungarischen Provinz zur Verfügung zu stellen. Deren transparente Vergabe sollen die neu zu schaffenden Zivilbüros der Stiftung "Kraft der Menschlichkeit" besorgen.

Die Organisationen, die als Empfänger infrage kommen, helfen etwa behinderten Kindern bei ihrem schulischen Fortkommen, unterstützen den Betrieb von Hospizen für unheilbar Kranke oder organisieren Mutter-Baby-Klubs. Programme für Asylbewerber oder Flüchtlinge haben diese lokalen Vereine nicht auf ihrem Radar, zumal es infolge der ungarischen Abschottungspolitik so gut wie keine Asylsuchenden im Land gibt.

Das Mantra des "Soros-Plan"

Die Einschüchterungsrhetorik der örtlichen Fidesz-Mächtigen erscheint insofern absurd. Sie fügt sich aber nahtlos in das vom rechtspopulistischen Regierungschef Viktor Orbán zur Staatsdoktrin erhobene Mantra vom "Soros-Plan" ein.

Aus allen Kanälen der Orbán'schen Medienmaschinerie hämmert auf die Bürger das auf Unwahrheiten beruhende, mit antisemitischen Motiven spielende Narrativ ein, wonach Soros die Flüchtlingsströme nach Europa organisieren würde, um die "christlichen Nationen" des Kontinents gewaltsam "umzuvolken". Auf Plakaten wurde Soros als grinsender Dämon gezeigt, der wie ein "Puppenspieler" sogar die Politik der EU steuert.

Nervosität in kleinen Städten

Organisationen, die von Soros Unterstützung erhalten und ganz konkret Mitmenschen in Not helfen, sind auf lokaler Ebene besonders deutlich sichtbar.

In den kompakteren Gemeinschaften ungarischer Städte mit höchstens 250.000 Einwohnern widerlegen sie Orbáns Narrativ auf augenfällige Weise. Das erklärt auch die Aggressivität, mit der die Regierungspartei Fidesz nun gegen sie vorgeht. (Gregor Mayer aus Budapest, 23.12.2017)