Wien – Um gleich zu Beginn mit einem Missverständnis aufzuräumen: Verteidiger Michael Dohr tritt nicht nur bei sogenannten clamorosen Verfahren wie dem Buwog-Prozess modisch gewandet auf, sondern demonstriert auch in kleinen Prozessen wie jenem gegen Harald und Susanne K. seinen extravaganten Kleidungsgeschmack. Mit "Der Herr Staranwalt!" wird er von Richterin Claudia Bandion-Ortner daher begrüßt, als er in seinem mit Kirchenfenstermotiv geschmückten Alexander-McQueen-Sakko den Verhandlungssaal betritt.

Das Ehepaar ist wegen gefährlicher Drohung angeklagt, Opfer soll Wilhelm P., ein 60-jähriger Bekannter, gewesen sein. Möglicherweise war es einst sogar Freundschaft. "Ich habe alles verloren wegen ihm!", zeigt sich Frau K. unversöhnlich und erzählt, wie das gekommen sei.

Gerichtsvollzieher vor der Tür

"Er hatte ein Tattoostudio, daher kennen wir ihn. Seine Freundin hat ihn dann hinausgeschmissen, und wir haben ihn in einer Wohnung in Währing wohnen lassen", schildert die unbescholtene 55-Jährige. Als P. auszog, hinterließ er angeblich Verwüstung, Gegenstände fehlten, und Rechnungen waren nicht bezahlt – sogar der Exekutor stand bereits vor der Tür.

Es folgte ein Streit um die Finanzen. Im Zuge dessen sollen beide P. am 15. Oktober telefonisch mit dem Erschießen bedroht haben; allerdings auch mit morphologischen Veränderungen mittels Baseballschläger und Messer. Herr K., 50 Jahre alt und einmal wegen Verhetzung vorbestraft, soll darüber hinaus Ende August in einem Lokal ein Pistolenmagazin vor P. auf den Tisch gelegt und das Bedürfnis geäußert haben, P. "umzublasen".

Die Äußerungen gestehen die beiden Angeklagten grundsätzlich, betonen aber, sie nicht ernst gemeint zu haben. Der Erstangeklagte bestreitet, dass ein Magazin im Spiel gewesen sei: "Ich bin zwar Sportschütze, aber ich habe Waffe und Magazin immer getrennt voneinander daheim in einem Safe!"

Betretungsverbot mit Cobra-Einsatz

Frau K. sagt, sie habe die Todesdrohung im Zorn ausgestoßen. "Das Problem ist, das darf man nicht. Herr P. sagt, er hat sich gefürchtet", wird sie von Bandion-Ortner belehrt. "Ah so. Der Kampfsportler hat sich gefürchtet", lautet die verächtliche Antwort. "Aber das ist ja kein Weg, das Problem zu lösen!", appelliert die Richterin. "Ich habe den Weg nicht angefangen! Wir wollten es im Guten regeln", hört sie darauf. P. beantragte jedenfalls ein Betretungsverbot, 16 Cobra-Beamte seien ihr eines Abends im niederösterreichischen Familiendomizil gegenübergestanden, empört sich die Zweitangeklagte.

Es ist offensichtlich, dass sowohl Richterin als Verteidiger auf eine Diversion hinarbeiten, zunächst will Bandion-Ortner aber noch das Opfer hören. Der gibt zu, sich in der Wohnungssache nicht ganz korrekt verhalten zu haben. "Es woar a Überreaktion. I woar fertig von de Nerven her wegen da Freindin", verrät der Zeuge. Und er zeigt Empathie: "Die worn augfressen auf mi. I vasteh's."

Überraschenderweise zeigt er sich bereit, die von Dohr vorgelegte Jahresabrechnung für Strom zu zahlen. "Na, gibt es eine Chance, dass Sie sich die Hände schütteln?", muntert Bandion-Ortner die Beteiligten auf. "Von mia aus scho", sagt P.; auch der Erstangeklagte will etwas sagen, wird aber von der Richterin unterbrochen. "Na, lossn S' eam redn", zieht Zeuge P. die Verhandlungsführung an sich.

Entschuldigung für Wortwahl

Herr K., der die ersten Minuten demonstrativ weggesehen hat, nutzt die Chance und wendet sich an die Anwesenden. "Entschuldigen Sie, die Damen", schickt er noch in Richtung Richterin, Staatsanwältin und Gattin voraus, ehe er P. direkt anspricht. "Du host a Glick, i mog di imma nu ois Freind. Oba du bist so a Oaschloch, wiast di domois aufgfieahrt host!"

P. steht auf, geht einen Schritt auf K. zu, für einen Sekundenbruchteil wünscht man sich einen Zug Justizwachebeamte im Saal. Die unnötig wären, wie sich herausstellt. Denn die beiden Männer umarmen sich herzlich, auch Frau K. schüttelt Herrn P. die Hand. Danach drückt sie ihren Verteidiger fest, in den emotionalen Ausbrüchen geht fast unter, dass Bandion-Ortner das Verfahren nicht rechtskräftig vorläufig einstellt. (Michael Möseneder, 2.1.2018)