Hereinspaziert: Wenn Mister Barnum sein Kuriositätenkabinett öffnet, gibt es was zum Staunen.

Foto: Twentieth Century Fox

Wien – Phines Taylor Barnum, geboren 1810 in bescheidenen Verhältnissen in Connecticut, hatte keinen besonders guten Ruf. Als junger Emporkömmling unterwegs in den Straßen New Yorks soll er eine alte Frau als 161-jährige Amme George Washingtons zur Schau gestellt haben. Was sich als Betrug herausstellen sollte.

Aber im Vergleich zu dem, was Barnum in der Folge anstellte, war das noch harmlos. Denn dieser Schwindel tat immerhin niemandem weh – außer den Geldbörsen der Gutgläubigen. Wohl aber jene Betrügereien Barnums, die er in seinem American Museum präsentierte, in dem er mitleidlos praktisch alles zur Schau stellte, was auch nur entfernt Kuriositätswert besaß: neben Skeletten, Mumien und Puppen vor allem Tiere und entstellte Menschen. Barnum, der sich mit einem nach ihm benannten Effekt sogar in der Psychologie verewigte, war alles, was man sich unter einem Hochstapler und Gauner vorstellen kann. Heute würde man sagen: Er war der perfekte Showman.

20th Century Fox

Wer also auch immer die Idee hatte, aus diesem Stoff ein Filmmusical zu schneidern – es war eine gute. Denn The Greatest Showman will gar kein klassisches Biopic sein, sondern auch als Film ein Feuerwerk für Augen und Ohren zünden. Ein Film, der sich nicht um historische Genauigkeit bemüht, sondern weiß, was er stattdessen besser kann: die sensationelle Geschichte Barnums in eine entsprechend sensationelle Form gießen. Und zwar in ein Musical.

Das bin ich!

Doch wie kann man einer, wenngleich lose zusammenhängenden Erzählung über Schein und Schauwerte mit ebensolchen beikommen? Indem jedes Bild das nächste zu übertrumpfen versucht, jeder Song sich als Ohrwurm weiterfrisst? Am besten also vielleicht tatsächlich so, wie der bisherige Werbefilmregisseur und Visual-Effects-Spezialist Michael Gracey in seinem Regiedebüt: Der Australier hat aus dem Drehbuch von Beauty and the Beast-Regisseur Bill Condon selbst eine Nummernrevue gebaut, seine Stars Hugh Jackman, Michelle Williams und Zack Efron in an das 19. Jahrhundert erinnernde Kostüme gesteckt und seine allesamt prächtigen Bilder mit Songs unterlegt, die man gestern am Broadway hätte hören können. Perfekt.

Gemeinsames Singen macht durstig: Phillip Carlyle (Zac Efron) und P. T. Barnum (Hugh Jackman) stoßen auf die neue Partnerschaft an.
Foto: Twentieth Century Fox

Bereits der Opener (The Greatest Show) muss sich natürlich als Tagtraum des kleinen Schneiderbuben Phines vor einem großen Schaufenster erweisen, der sich als Zirkusdirektor in der Manege wähnt – und in Wahrheit nur ein Loch im Schuh besitzt. Aber halt – this is America! Zwei hübsche Mädchen und eine noch hübschere Frau später bastelt dieser Träumer, noch immer ein armer Schlucker, seiner lieblichen Familie über den Dächern von New York eine wundervollst scheinende Laterna magica. Ruckzuck, aus der Not geboren, aber mit den eigenen Händen und Fantasie.

Wo der Mensch Mensch geblieben ist

In solchen Augenblicken landet The Greatest Showman, wie jedes gute Musical, souverän auf dem Punkt. So wie später, wenn die sich in der Manege zusammengefundene Truppe an "Freaks" – siamesische Zwillinge, Frau mit Bart, Albinos und Zwerge – der Welt ihr empörtes This is Me! entgegenschmettert. Denn vor Barnums Museum hat sich schließlich doch der Mob versammelt, und es entlädt sich der kollektive Hass auf das Fremde, das man zuvor noch ausgiebig und für Barnum ertragreich bestaunt hat.

Ann (Zendaya) macht, was sie am besten kann: Trapezkunststücke und Punktlandungen in Männerherzen.
Foto: Twentieth Century Fox

The Geatest Showman, für Jackman nach Les Misérables bereits das zweite große Musical und nach Prestige abermals die Möglichkeit, als eine Art Zauberkünstler des 19. Jahrhunderts aufzutreten, weiß aber natürlich immer, wo bei allem falschen Schein die echten Werte zu finden sind. Dort, wo der Mensch Mensch geblieben ist. Dort, wo die Außenseiter zusammenhalten und von der Integration träumen. Und dort, wo für Barnum der Wunsch, von der "guten" Gesellschaft geliebt zu werden, keinen Penny zählt. "You don't need everyone to love you", sagt die gute Frau zu Barnum, "just a few good people." (Michael Pekler, 1.1.2018)