Die Idylle in Piran trügt. Auf dem Meer demonstrieren slowenische wie auch kroatische Polizeiboote ihren Anspruch auf die Gewässer, obwohl dieser von einem Gericht geklärt wurde.

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Ljubljana/Zagreb – "Vor dem Morgen werden die Fischer da sein, das Meer kennt sie, es kennt diese Leute", so beginnt ein kroatisches Fischerlied. Am Freitag stellte sich allerdings nicht unbedingt die Frage, was das Meer alles so erkennen kann, sondern ob auch die Fischer in der Bucht von Piran wissen, ob das Meer hier überhaupt ihnen gehört.

Als in aller Herrgottsfrühe kroatische Fangboote in die Bucht von Piran aufbrachen, steuerte ein slowenisches Polizeischiff auf sie zu und wies sie darauf hin, dass sie sich in slowenischen Gewässern befinden würden. Auf der anderen Seite wurden die Fischer jedoch von kroatischen Polizeibooten begleitet, die wiederum demonstrierten, dass Kroatien Anspruch auf das Meer stellt.

Die Fischer meinten, sie wollten weiterhin dort fischen, wo sie immer gefischt haben, obwohl am Freitag die sechsmonatige Frist zur Umsetzung des Schiedsspruchs zur Grenzziehung zwischen Slowenien und Kroatien auslief. Ein Schiedsgericht in Den Haag hatte Slowenien im Juni den Großteil der Bucht von Piran zugesprochen. Ljubljana hat angekündigt, den Schiedsspruch nun umzusetzen. Der slowenische Außenminister Karl Erjavec meinte, dass Slowenien im Frühjahr eine Klage gegen Kroatien einreichen könnte. In Ljubljana hofft man auch auf eine aktive Rolle der EU-Kommission. Vizepräsident Frans Timmermans könnte beide Länder in dem Konflikt ab Anfang 2018 unterstützen. Bei den anderen EU-Staaten kann vor allem Slowenien mit Verständnis rechnen.

Keine Gewalt, aber Geduld

Man werde nicht provozieren und setze auf "stille Diplomatie", meint der slowenische Parlamentspräsident Milan Brglez zum STANDARD. Dennoch seien alle rechtlichen Vorkehrungen getroffen, um auf "Vorfälle" von Grenzverletzungen zu reagieren. "Wir werden sie dokumentieren, aber keine Gewalt anwenden", so Brglez. Bevor die EU-Kommission in Aktion trete, würde man den bilateralen Dialog mit Kroatien führen, obwohl es zwei völlig verschiedene Meinungen gebe.

Brglez setzt auf Geduld, rechnet nicht mit der Umsetzung in der aktuellen Legislaturperiode. Man werde sich zunächst darauf konzentrieren, jene Grenzziehung auf dem Land umzusetzen, die keine Konflikte verursacht. Kroatien erhält etwa den strategisch bedeutenden Berg Trdinov vrh (Sveta Gera) im Südosten.

Bisher ist allerdings von einem Einlenken Zagrebs nichts zu merken. Das kroatische Außenministerium schickte am Freitag sogar eine diplomatische Note an Slowenien, damit dieses von "einseitigen Schritten" absehe. Solche seien "inakzeptabel". Kroatien werde den Schiedsspruch nicht akzeptieren und nicht umsetzen.

Zu wenig Selbstkritik

In Zagreb stellt man sich auf den Standpunkt, man sei im Schiedsverfahren hintergangen worden. Diese Opferhaltung, gepaart mit nationalistischen Tönen, stößt in der Gesellschaft auf fruchtbaren Boden. Premier Andrej Plenković, der das Problem geerbt hat, steht selbst unter dem Druck der Nationalisten.

Dies zeigte sich zuletzt in der Frage der Anerkennung des Gerichtsurteils gegen sechs Kroaten, die das Haager Jugoslawientribunal kürzlich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bosnienkrieg verurteilt hatte. Statt selbstkritisch auf die eigene Vergangenheit zu schauen, sprachen die politischen Eliten in Kroatien von einem "ungerechten" Urteil. (Adelheid Wölfl, 29.12.2017)