Dirigent Riccardo Muti: "Glauben Sie nie, was Dirigenten sagen – das ist so wie bei Kritikern."

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Wien – Schade, dass Riccardo Muti so selten erzählend und singend die Öffentlichkeit unterhält. Im Vorfeld des für ihn fünften Neujahrskonzerts trällert er etwa Rossinis Wilhelm Tell-Ouvertüre oder ein bisschen Verdi, um seine Argumente zu vertonen. Bei musikhistorischen Exkursen landet er dann selbst beim Gefangenenchor aus Nabucco und "jenen Idioten", die das tragische Stück von Verdi immer noch als italienische Landeshymne installieren wollen.

Pressekonferenz zum Neujahrskonzert 2018 mit Riccardo Muti.

All dies hat bei Muti unterhaltsame Virtuosität. In manch Augenblick wirkt er wie die charmante Reinkarnation einer Fellini-Filmfigur. In diesem Sinne schade auch, dass der 76-Jährige das Repertoire des Neujahrskonzerts weitestgehend scherzfrei halten will. Es wäre mit ihm eine elegante Komödie im Dreivierteltakt sicher. Seine Absage an allzu grelle Pointen ist jedoch poetisch-plausibel argumentiert. "Der Humor ist in dieser Musik bereits enthalten – wie auch Tragik und Nostalgie. Um die Strauß-Welt zu verstehen, muss man Franz Schubert verstanden haben. Warum Strauß perfekt zum Eintritt ins neue Jahr passt, weiß ich nicht. Mit dieser Musik betritt man einen besonderen Traum." Einen schön rätselhaften.

Es lebe in dieser Musik ja auch eine spezielle Leichtigkeit, und es gebe diese heiklen Rubati. Für den Dirigenten gehe es darum, "dem Orchester nicht im Wege zu stehen". Muti findet, die Philharmoniker sollten es "doch einmal ohne Dirigent versuchen". Dies jedoch ist ein Gedanke, über den Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer fast erschrickt und den er mit "wir sind froh, Sie zu haben ..." diskret abwehrt.

Nur nicht tanzen

Die Gefahr, dass es die Philharmoniker einmal solo versuchen, ist wohl so groß, wie Muti Walzer tanzen zu sehen: "Ich kann es nicht, ich habe mich mit meiner Frau vor der Hochzeit bemüht – wir haben aber aufgehört, da ich ihre Füße ruiniert habe." Dass das fünfte nun – wie angedeutet – sein letztes Neujahrskonzert werden könnte, will Muti nunmehr nicht so ganz bestätigen. Er dirigiere die Philharmoniker seit 48 Jahren und hofft, es "bis zum halben Jahrhundert zu schaffen". Was das Neujahrskonzert anbelangt, "bleibe ich beim ,Sag niemals nie', ich habe mir ja so oft selbst widersprochen". Nach seiner "Zeit an der Mailänder Scala meinte ich, nie wieder eine Leitungsfunktion übernehmen zu wollen. Und dann verliebe ich mich in das Chicago Symphony Orchestra!"

Riccardo Muti und die Philharmoniker
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Mal sehen. Er halte sich als Neapolitaner ans "Schauen wir mal", auch wolle er "durch Festlegungen sein Schicksal nicht allzu sehr provozieren". Er sei zudem Großvater: "Bevor ich zur Hölle fahre, möchte ich noch Zeit mit meinen Enkeln verbringen." Andererseits seien die Philharmoniker seine musikalische Familie.

Und: "Glauben Sie nie, was Dirigenten sagen – das ist wie mit Kritikern." Was Sie glauben können: Es werden sieben Kompositionen gespielt, die noch nie beim Neujahrskonzert zu hören waren. Darunter ist auch Alfons Czibulkas zur Verlobung von Prinzessin Stephanie mit Kronprinz Rudolf komponierte Stephanie-Gavotte. (Ljubisa Tosic, 30.12.2017)