Wien – Der neue Finanzminister Hartwig Löger kündigt im Interview mit dem STANDARD erste Vorgaben für die laufenden Budgetverhandlungen an. Beschlossen wird gleich ein Doppelbudget für die Jahre 2018 und 2019. Darin werden die Ressorts aufgefordert, bereits im ersten Jahr 2,5 Milliarden Euro einzusparen. Laut Löger wird eine Milliarde Euro bei den direkten Verwaltungskosten gestrichen, als zweiten Sparbereich nennt er die Personalkosten. Und schließlich sollen die Förderungen des Bundes im Schnitt um fünf Prozent sinken. Geplant ist im kommenden Jahr ein strukturelles Budgetdefizit von rund 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Hartwig Löger wechselte von der Uniqa ins Finanzministerium.
andy urban

STANDARD: Sie sind neu in der Politik. Wurden Sie schon zu Tode gecoacht, oder geben Sie noch Antworten auf Fragen?

Löger: Gecoacht wurde ich in der Form nicht. Aber die Informationsflut, die auf mich in den letzten Tagen und Nächten eingewirkt hat, war schon enorm.

STANDARD: Rund um die Regierungsverhandlungen wurden einige Namen für das Finanzministerium genannt, Ihrer gar nicht. Wann hat Sie Sebastian Kurz das erste Mal gefragt, ob Sie Minister werden wollen?

Löger: Es gab während der Verhandlungen eine Vorinformation, dass es eine Option gibt. Ich bin Sebastian Kurz sehr dankbar, dass mein Name vertraulich behandelt wurde. Die konkrete Frage gab es dann erst wenige Tage vor der Angelobung.

STANDARD: Warum tut man sich die Politik als erfolgreicher Manager an?

Löger: Ich war über 30 Jahre in der Finanzwirtschaft tätig, konnte eine schöne Karriere machen. Aber wenn eine derartige Herausforderung auf einen zukommt, ist das schon nochmal etwas anderes. Sebastian Kurz hat die Partei geöffnet, jetzt beim Neustart, wie Sebastian das nennt, dabei sein zu können, das ist der Reiz an der Funktion.

STANDARD: Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie sich vor Amtsantritt mit dem Budget der Republik Österreich beschäftigt?

Löger: Auch als Bürger hat man gewisse Interessen, an steuerlichen Themen oder an den Staatsschulden. Beruflich habe ich mich natürlich mit dem Kapitalmarkt, dem Zinsthema und aufsichtsrechtlichen Fragen beschäftigt. Da kriegt man also schon einen gesamtheitlichen Blick auf die Volkswirtschaft. Aber keine Frage: Die Dimension ist jetzt schon eine andere, weil ja auch europäische Themen dazukommen.

Der Familienbonus soll rund 1,5 Milliarden kosten, kündigt Hartwig Löger an.
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STANDARD: Sie waren in die Regierungsverhandlungen nicht eingebunden. Sehen Sie Ihre Aufgabe so, dass alles eins zu eins abgearbeitet wird, wie es niedergeschrieben wurde, oder besteht da noch Gestaltungsspielraum für den neuen Minister?

Löger: Das, was im Regierungsprogramm steht, kann ich inhaltlich mittragen, sonst hätte ich das Amt nicht übernommen. Aber es gibt auch einige Bereiche, die nicht so detailliert ausformuliert wurden, sodass auch Spielraum bleibt.

STANDARD: Gibt es noch Spielraum beim Familienbonus? Geplant ist, dass es diesen Steuerbonus in der Höhe von 1.500 Euro pro Kind geben soll. Es gibt aber Kritik, dass jene, die keine Steuern zahlen, nichts davon haben. Verstehen Sie diese Einwände?

Löger: Der Familienbonus soll mit Jänner 2019 in Kraft treten. Bei der Regierungsklausur nächste Woche werden wir genau definieren, wer Anspruch hat. Hier gibt es durchaus noch Gesprächsbedarf. Stichwort: Patchworkfamilien, Alleinerzieherinnen. Zu jenen, die keine Steuern zahlen: Mehr als 100 Prozent Entlastung gibt es auf der Ebene der Steuern und Abgaben nicht. Das ergibt sich aus der Systemlogik.

STANDARD: Man könnte aber mit einer Steuergutschrift, der sogenannten Negativsteuer, arbeiten. Dann würden auch die kleinsten Einkommen profitieren.

Löger: In Richtung Negativsteuer zu gehen halte ich aus systematischen Gründen für falsch, weil wir damit eine Grenze überschreiten, die auf Ebene der Sozialleistungen zu lösen ist. Ich gehe auch davon aus, dass wir bei den Sozialleistungen Änderungen in Richtung mehr Transparenz und Treffsicherheit vornehmen können.

STANDARD: Auch von der geplanten Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags haben Einkommensbezieher unter 1.342 Euro nichts, weil sie schon bisher keine Versicherung zahlen. Ist hier noch an eine Entlastung für diese Gruppe gedacht?

Löger: Auch hier gilt: 100 Prozent Entlastung ist das Maximum. Und nur zu den Dimensionen: Der Familienbonus wird bis 1,5 Milliarden Euro kosten. Damit werden 700.000 Familien mit 1,2 Millionen Kindern entlastet. Von der Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags profitieren mehr als 600.000 Menschen im Schnitt mit 320 Euro jährlich. Das kostet 160 Millionen Euro. Von sozialer Kälte kann also keine Rede sein. Mehr als 50 Prozent unserer Ausgaben liegen im Bereich soziale Sicherung, hier ist Österreich also sehr gut aufgestellt.

"Derzeit tun sich sogar die Experten schwer, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden", so die Einschätzung Lögers.
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STANDARD: Wahnsinnig konkret ist das Regierungsprogramm in Sachen Steuerreform nicht. Wann und in welchem Ausmaß soll es welche Entlastungsschritte geben? Die im Wahlkampf genannten zwölf Milliarden Euro scheinen kurzfristig ziemlich illusorisch?

Löger: Wir gehen davon aus, dass eine Tarifreform mit Schwerpunkt kleinere und mittlere Einkommen mit Jahresbeginn 2020 in Kraft treten wird. Ziel ist es auch, das System einfacher und klarer für die Bürger zu machen. Derzeit tun sich sogar die Experten schwer, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden, wenn es etwa um Sonderregelungen und steuerliche Ausnahmen geht. Damit entlasten wir auch die Unternehmen, für die der Aufwand bei der Lohnverrechnung derzeit nahezu absurd hoch ist.

STANDARD: Haben Sie schon Vorstellungen, wie weit der Eingangssteuersatz sinken soll, wie groß das Entlastungsvolumen sein soll?

Löger: Modelle zum Tarif gibt es noch nicht. Wir wollen aber ein ähnliches Volumen wie bei der letzten Steuerreform erreichen (rund 3,9 Milliarden, Anm.).

STANDARD: Ich gehe davon aus, dass auch die Körperschaftssteuer gesenkt werden wird.

Löger: Es gibt derzeit keine konkrete Zielsetzung, das wird aber sicher ein Thema werden in der Diskussion. Letztendlich müssen wir aber auch bei der Körperschaftssteuer darauf schauen, dass es zu Vereinfachungen in der Struktur kommt.

STANDARD: Also wichtiger sind Vereinfachungen bei der Berechnung, als den Körperschaftssteuersatz an sich zu senken?

Löger: Genau diesen Ansatz wollen wir generell verfolgen. Im Sinne der Standortthematik und der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs gilt es aber, Orientierung zu halten. Wir müssen erkennen, dass es im Umfeld Österreichs einen gewissen Druck gibt.

STANDARD: Mit Nachbarn wie Ungarn, die eine KöSt von nur neun Prozent haben, wird man aber schwer mithalten können.

Löger: Ja, da muss man aber dazusagen, dass für Unternehmen nicht nur die Steuer wichtig ist. Da spielen auch andere Faktoren eine Rolle wie die Qualität der Fachkräfte. Da sind wir gesamtstaatlich gefordert.

Vereinfachungen seien wichtiger als eine Senkung der KÖSt, meint der gebürtige Steirer.
andy urban

STANDARD: 2020 soll die nächste Steuerreform in Kraft treten. Bis dorthin ist auch der aktuelle Spitzensteuersatz von 55 Prozent befristet. Soll die Frist verlängert werden?

Löger: Im Rahmen der Steuerstrukturreform wird man diese Frage sicher mitbehandeln.

STANDARD: Jetzt sind Sie ausgewichen. Wie lautet Ihre persönliche Meinung. Sind mehr als 50 Prozent zumutbar?

Löger: Das ist offen. Ich habe keinen Grund, die aktuelle Regelung zu kritisieren. Man hat sich entschlossen, das aus Solidargründen zu beschließen, das ist verständlich und gesellschaftlich argumentierbar.

STANDARD: Bei einem Wahlkampfversprechen sind ÖVP und FPÖ schon umgefallen: nämlich bei der Abschaffung der kalten Progression, also der schleichenden Steuererhöhung durch die Inflation. Jetzt steht nur schwammig im Regierungsprogramm, man prüfe das. Warum macht man es nicht endlich?

Löger: Ich sehe es nicht so schwammig. Die geplante Steuerreform 2020 ist der erste Schritt. Ein, zwei Jahre nach dieser Strukturreform wollen wir dann eine gute Grundlage für die Abgeltung der kalten Progression schaffen. Das wird der zweite Schritt sein.

STANDARD: Bis jetzt gibt es nur ein Budgetprovisorium für 2018: Können Sie schon sagen, wie hoch das Defizit ausfallen wird? Muss es aus Ihrer Sicht ein Nulldefizit geben?

Löger: Wir werden ein Doppelbudget für die Jahre 2018 und 2019 vorlegen. Das strukturelle Defizit (um Konjunktureffekte bereinigtes Defizit, Anm.) wird im kommenden Jahr bei rund 0,5 Prozent liegen. Es wird also nicht um jeden Preis einen ausgeglichenen Haushalt geben. Den streben wir frühestens in den nächsten zwei, drei Jahren an. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir für 2018 rund 2,5 Milliarden an Einsparungen realisieren. Das ist mit dem Regierungspartner bereits abgestimmt.

STANDARD: Wo soll gespart werden?

Löger: Es gibt drei große Bereiche. Erstens: Wir gehen davon aus, dass wir bei den direkten Verwaltungskosten rund eine Milliarde Euro holen können. Der zweite Bereich sind die Personalkosten. Bei diesem Kostenpunkt haben wir ein Riesenpotenzial. Allein durch die natürlichen Abgänge können wir schon in den kommenden beiden Jahren einiges realisieren. Zudem haben wir vereinbart, nur jede dritte Planstelle nachzubesetzen – mit Ausnahme von Heer, Polizei und Bildung.

STANDARD: Und der dritte Bereich?

Löger: Die Förderungen wollen wir im Schnitt um fünf Prozent zurückfahren – aber nicht linear über alle Ressorts. Wir haben bereits gezielte Gespräche gestartet, um transparent zu machen, wo wir sich überlagernde Fördersysteme haben. Dazu gibt es eine Vielzahl an kleineren Maßnahmen und Elementen, die wir diskutieren. Ein Beispiel: Wir sehen, dass die Mieten, die von der Bundesimmobiliengesellschaft an die Verwaltungsbehörden und die Ministerien verrechnet werden, in den letzten Jahren überhöht waren. Dort ist eine substanzielle Chance gegeben, die Kosten zu senken.

"Die Förderungen wollen wir im Schnitt um fünf Prozent zurückfahren – aber nicht linear über alle Ressorts", sagt der Minister.
andy urban

STANDARD: Gespart werden soll auch bei der Arbeitsmarktpolitik. Der Beschäftigungsbonus, den Betriebe bekommen, die neue Leute anstellen, soll zurückgefahren werden. Ebenso die Aktion 20.000, die die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen zum Ziel hat. Wissen Sie schon, wann die Programme auslaufen?

Löger: Dazu laufen gerade die Gespräche, das wird auch bei der Regierungsklausur Thema sein. Unabhängige Experten haben aber bestätigt, dass diese Aktionen wegen der besseren wirtschaftlichen Entwicklungen in diesem Ausmaß nicht mehr notwendig sind. Es kann daher zu einer Redimensionierung kommen, das genaue Ausmaß steht noch nicht fest.

STANDARD: Exjustizminister Brandstetter hat sich bei Causen, die er früher als Anwalt verhandelt hat, für befangen erklärt. Werden Sie sich bei bestimmten Themen für befangen erklären? Sie kommen von der Uniqa. Es macht keinen schlanken Fuß, wenn der ehemalige Chef einer Versicherung die im Regierungsprogramm angekündigte "Förderung der privaten Altersvorsorge" verhandelt, oder?

Löger: Wie Sie richtig sagen, komme ich von der Uniqa, jetzt bin ich Finanzminister. Ich sehe mich in keinster Weise befangen, sondern eher in der Lage, in Kenntnis beider Seiten das Thema in der richtigen Form voranzutreiben. Ich denke schon, dass es wichtig ist, den Bürgern die Themen private Pensions- und Pflegevorsorge bewusstzumachen, weil sie bisher viel zu wenig wahrgenommen werden.

STANDARD: Als Versicherungsmanager haben Sie eine verpflichtende Katastrophenversicherung vorgeschlagen. Werden Sie Ihre Forderung nun als Minister forcieren?

Löger: Ich werde sie nicht forcieren, aber das Thema ist unabhängig von meiner Vergangenheit als Versicherungsmanager wichtig. Wir erleben nahezu täglich, dass es zu Unwetter und Naturkatastrophen kommt. Ich glaube daher, dass es Sinn macht, diese Überlegungen, die es seit Jahren gibt, anzustellen. Es gibt einige mögliche Modelle in anderen Ländern, dieses Thema ist aber nicht meine erste Priorität.

STANDARD: Wie stehen Sie zum Staat als Unternehmer? Muss die Republik beispielsweise als Miteigentümer der Casinos Austria Glücksspiel betreiben?

Löger: Generell gesprochen: Es ist natürlich relevant, dass der Staat in den wichtigsten Bereichen wie Energie und Infrastruktur in der Steuerung seiner Unternehmen eine Rolle spielt. Wenn sich bei Beteiligungen die Schwerpunkte auf Märkte außerhalb Österreichs verlagern, etwa nach Osteuropa, dann muss man die Lage neu bewerten.

Abfertigung gab es beim Abgang von der Uniqa für Löger keine.
andy urban

STANDARD: Aber unter geänderten Rahmenbedingungen wäre auch ein Verkauf denkbar?

Löger: Ich schließe es nicht aus, weil ich nicht einschätzen kann, welche Entwicklungen es in diesem Bereich in Zukunft geben wird. Derzeit ist es aber kein unmittelbares Thema.

STANDARD: Der Rechnungshof fordert im aktuellen Tätigkeitsbericht, dass Politiker ihr Vermögen offenlegen sollten. Hätten Sie damit ein Problem?

Löger: Derzeit gibt es eine rechtliche Definition, an die ich mich halte. Wenn sich diese nach Vorbild anderer Länder ändert, hätte ich damit aber kein Problem.

STANDARD: Also sind Sie kein Vertreter der Fraktion "Das schürt nur Neid". Verraten Sie uns, wie viel Sie an Abfertigung bei der Uniqa bekommen haben?

Löger: Da ich mein Uniqa-Mandat von mir aus zurückgelegt habe, war damit kein Abfertigungsanspruch verbunden.

STANDARD: Wenn der Ausflug in die Politik vorbei ist: Haben Sie dann eine Rückkehroption zur Uniqa?

Löger: Nein. (Günther Oswald, 29.12.2017)