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Regierungsfreundliche Demonstranten gingen in Teheran auf die Straße.

Foto: Ap/Ebrahim Noroozi

Demonstrationen sind nichts so Ungewöhnliches im Iran, wie es der Blick von außen auf das von einem autoritären islamischen Regime beherrschte Land vermuten lässt: Aber nach drei Tagen anhaltender Proteste gibt es wohl keinen Zweifel mehr, dass dieser Ausbruch von Wut und Frustration in gleich mehreren iranischen Städten eine andere Dimension hat. In den sozialen Medien streiten Experten und Aktivisten, ob es sich "nur" um sozial motivierte Proteste handelt oder ob die Demonstranten ernsthaft einen Regimewechsel fordern und von wem die Proteste ausgehen. Jedem, der es ganz genau weiß, ist zu misstrauen.

Die iranische Führung ist mit der nicht nur im Nahen Osten gängigen Erklärung zur Hand, dass es Agenten von außen sind, die die Menschen gegen das Regime auf die Straßen locken. So wie es in Syrien war. Nicht so wie in Ägypten 2011, wo Teheran die (inzwischen rückgängig gemachte) Revolution begrüßte. Oder in Bahrain, da waren die Demonstrationen aus iranischer Sicht ebenfalls gerechtfertigt. Es ist ein altes politisches Spiel, das aber durchaus auch von den USA mitgespielt wird. Oder hat man aus Washington etwas gehört, als 2017 in den saudi-arabischen Schiitengebieten brutal gegen Proteste vorgegangen wurde? Zum Iran war das US-Außenministerium hingegen mit einer Erklärung schnell zur Hand, die auf die Unterstützung eines Regimewechsels hinauslief. Das hilft den Demonstranten nicht, sondern hilft der Führung nur dabei, sie zu delegitimieren.

Enttäuschte Hoffnungen

Aber diese Diskussion darf natürlich nicht vom Kern des Problems ablenken: von den Iranern und Iranerinnen, die auf legitime Weise ihren Unmut gegen ihr Regime kundtun. Auch hier gibt es unterschiedliche Narrative: Die Anhänger des moderaten Präsidenten Hassan Rohani, der 2017 die Wahlen gewonnen hat, behaupten, es würden Hardliner, Rohani-Gegner, hinter dem Ausbruch der Proteste stecken, zumindest in der religiös geprägten Stadt Mashhad, wo sie begannen. Die Slogans richteten sich anfangs tatsächlich vor allem gegen die Regierung, die bisher ihre sozialen und wirtschaftlichen Versprechungen nicht halten konnte: die sich rund um das Gelingen des – von den Hardlinern gehassten – Atomdeals ranken.

Aber die Hardliner, sollten sie denn wirklich eine Rolle spielen, können nicht intendiert haben, was dann an Parolen folgte: Die Demonstranten kritisierten die iranische Rolle in arabischen Ländern, vor allem Syrien, insofern, als dort iranische Ressourcen hinfließen, die in der Islamischen Republik fehlen. Die iranische Regionalpolitik ist aber keinesfalls bei Rohani angesiedelt, sondern ganz oben, beim religiösen Führer, Ali Khamenei, von dem in mehreren Städten Porträts gestürzt wurden.

Slogans für den Schah

Es geht natürlich auch um die prinzipielle Korruption und Ungleichheit in einem System, das nunmehr seit fast 39 Jahren von der gleichen Clique beherrscht wird. Gehört wurden auch vereinzelt Pro-Schah-Slogans – gerufen von Leuten, die nach dessen Sturz geboren wurden und die bittere Schah-Diktatur nicht mehr erlebt haben. In den sozialen Netzwerken toben sich wiederum die linken Volksmujahedin aus, die von den herrschenden Islamisten nach der Revolution ausgebootet und brutalst bekämpft wurden.

Wer im Iran für Demokratie auf die Straße geht, kann weder das eine noch das andere wollen. Aber ob die großen Ideen, die von außen in die Proteste projiziert werden, diese auch wirklich tragen, ist ohnehin unsicher. Sicher ist hingegen, dass es im Iran eine große Menge von sozial schwachen und unzufriedenen Menschen gibt, denen es nicht immer besser, sondern schlechter geht. Die einen mögen noch an Reformen glauben, andere tun es nicht mehr. Die Grenzen zwischen dem Ruf nach Reformen und dem nach einem Systemwechsel sind fließend. (Gudrun Harrer, 31.12.2017)