Wien – Die Wiener Symphoniker und Philippe Jordan sind akribisch arbeitende Musiker. Bevor sie im Jänner im Wiener Konzerthaus die Symphonien Ludwig van Beethovens zur Aufführung bringen, probten sie die neun Werke im letzten Jahr mehrmals öffentlich im Wiener Musikverein. Die Resonanz auf die so feurigen wie feinfühligen Deutungen war euphorisch, der vierteiligen Aufführungsserie im Haus am Heumarkt (bis 21. 1.) darf also frohgemut entgegengeblickt werden.

Am Vorabend zu Silvester wurden im Konzerthaus erst einmal die Symphonien Nr. 2 und 9 interpretiert. Es war großartig. Chefdirigent Jordan, Musikdirektor der Pariser Oper und designierter Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper, befeuerte die Musiker mit energischen, raumgreifenden Armbewegungen und grimmigen Blicken. Die solcherart vitalisierten, dynamisierten Symphoniker stürzten sich mit glühenden Herzen in die symphonischen Schlachten.

Beethoven ohne Speck

Straff, streng und agil das Allegro con brio der Zweiten. Jordan nahm sowohl die Erkenntnisse des historisch informierten Musizierens als auch die irrwitzig schnellen Metronomangaben des eigensinnigen Komponisten ernst und präsentierte einen agilen Beethoven ohne Speck, dafür auf Speed. Die Sechzehntelläufe der Streicher waren wirbelwindschnell, die unvermittelten Fortissimo-Ausbrüche hatten die körperliche Wucht exakt platzierter Leberhaken. Elastizität und Eleganz blieben trotzdem nicht auf der Strecke. Das Publikum demonstrierte informiertes Applaudieren und klatschte auch zwischen den Sätzen.

Toll auch die Neunte: Auch hier inszenierte Jordan ein Großfest der Gegensätze. Die Pauke bot Originalklang-Härte, im zweiten Satz knatterten die schnellen Viertelnoten mit der Unerbittlichkeit eines Maschinengewehrs. Wundervoll zart, licht und fließend die Präsentation des "Freude"-Themas im letzten Satz durch die Celli und die Kontrabässe, saft- und kraftvoll das folgende Crescendo.

Prächtiger Surround-Sound

Die von Heinz Ferlesch einstudierte Wiener Singakademie bot einen vitalen, prächtigen Surround-Sound, im Solistenquartett (Emily Magee, Anke Vondung, Andreas Schager, Diitry Ivashchenko) stach der Bayreuth-erprobte Schager mit seinem heldenstarken, agilen Tenor hervor. Wundervoll die sprechende, nuancierte Gestaltung des Rezitativs vonseiten der tiefen Streicher.

Philippe Jordan hat das Orchester auf ein neues, exzellentes Niveau gehoben, der 43-Jährige hat aus den honorigen Symphonikern musikalische Hochleistungssportler gemacht, die mit Herz und Hirn für die Klangkunst kämpfen. Begeisterung im Großen Saal des Wiener Konzerthauses. (Stefan Ender, 2.1.2018)