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Prishtina/Sarajevo – Der Premier hat sich selbst ein Ei gelegt. Ramush Haradinaj hatte die Tatsache, dass er sein eigenes Gehalt verdoppelte, damit erklärt, dass er angeblich zu wenig Geld für seine Garderobe habe. "Ich muss eine Krawatte kaufen, ich muss ein Shirt kaufen", sagte er im Staatsfernsehen. Nun machen sich viele Kosovaren über ihn lustig, indem sie Krawatten auf den Zaun des Regierungssitzes binden.

Denn bisher war Haradinaj eher für seine Maßanzüge, fetten Autos und eine großzügige Villa bekannt als für ein angeblich kärgliches Dasein. Sein Gehalt als Premier lag bei 1300 Euro, das Durchschnittseinkommen in dem kleinen Balkanstaat beträgt 450 Euro. Der ehemalige Kommandant der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK ist in der Region Dukagjin zudem wirtschaftlich sehr einflussreich.

Grenzabkommen fehlt

Die Sache mit der Auffettung des eigenen Lohns wäre nicht so schlimm, würde Haradinaj als Politiker mit großartigen Leistungen auffallen. Doch bisher hat die neue Regierung, die seit September im Amt ist und in der absurderweise 26 Minister sitzen, nichts Essenzielles weitergebracht. So fehlt noch immer die Ratifizierung des Grenzabkommens mit Montenegro – eine Voraussetzung für die geplante Schengen-Visafreiheit. Haradinaj hatte noch als Oppositionspolitiker gegen das Abkommen agitiert.

Damit bleiben die Kosovaren die einzigen Südosteuropäer, die nicht visafrei in Schengenstaaten reisen dürfen. Auch der Dialog mit Serbien sollte längst weitergehen. Der Kosovo hat noch immer keinen Verband für die mehrheitlich serbischen Gemeinden, der bereits 2013 beschlossen wurde, eingeführt. Von serbischer Seite wollte man längst weitere Treffen mit den Kosovaren arrangieren. Der Dialog soll 2019 zu einem Abkommen führen, durch welches Serbien den Kosovo zumindest indirekt anerkennt und damit den eigenen Weg in die EU freimacht. Serbien will übrigens, dass Russland dabei eine Rolle als Mediator übernehmen soll. Präsident Wladimir Putin zeigte sich bereits einverstanden.

Vorgehen gegen Gericht

Doch noch ist unklar, wann der Dialog weitergeht. Denn im Kosovo sind die Verhinderer an der Macht. Manche versuchen sogar, schon beschlossene Vorhaben rückgängig zu machen. 43 von 120 Parlamentariern versuchten noch in einer Blitzaktion vor Weihnachten jenes Gesetz zu kippen, das für die Schaffung des Kriegsverbrechergerichts nötig war. Viele Politiker, die mit der UÇK in Verbindung stehen, wollen Anklagen und Prozesse verhindern.

Der Bruder von Premier Haradinaj, Daut Haradinaj, drohte sogar, dass Verhaftungen durch das Kriegsverbrechergericht zu "riesigen Gegenreaktionen" führen würden. Daut Haradinaj, der ebenfalls in der UÇK war und nun im Parlament sitzt, glaubt, dass alle UÇK-Kämpfer die Festnahmen verhindern würden. Auch Präsident Hashim Thaçi kritisierte das Gericht als "historische Ungerechtigkeit" und meinte, er würde ein neues Ersatzgesetz unterschreiben, falls die Parlamentarier sich durchsetzten. Die EU und die USA kritisierten die Pläne der Parlamentarier hingegen scharf.

Amnestie für Mörder

Thaçi ging nun sogar so weit, dass er vor Neujahr für drei ehemalige UÇK-Mitglieder eine Amnestie erließ. Sie hatten im Jahr 2001 eine ganze Familie ermordet, weil diese angeblich mit dem früheren serbischen Regime kollaboriert hatte. Die Aktion von Thaçi, der selbst UÇK-Kommandant war, zeigt, wie wenig Unrechtsbewusstsein vorhanden ist, wie sehr der Nationalismus zunimmt und wie wenig Respekt man vor dem Rechtsstaat hat. Die drei Verbrecher waren ursprünglich zu 30 Jahren Haft verurteilt worden.

Das neue Kriegsverbrechergericht soll Verbrechen im Jahr 1999 untersuchen, dazu gehören Morde, Entführungen, illegale Gefangennahme und sexuelle Gewalt. Heuer werden erste Anklagen gegen ehemalige UÇK-Mitglieder erwartet. Die Verbrechen waren vor allem gegen Serben und Roma gerichtet, aber auch gegen Albaner, denen vorgeworfen wurde, mit dem damaligen serbischen Regime kollaboriert zu haben.

Krawatten für Premier Haradinaj, der sich angeblich keine leisten kann. Die Kosovaren veräppeln ihren Regierungschef mit viel Humor. (Adelheid Wölfl, 3.1.2018)