Der syrische Archäologe Mohamad Mustafa kam 2013 von Aleppo nach Wien.

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Sterbliche Überreste einfrieren, in den Weltraum schießen oder zu einem Diamanten pressen lassen: Modernen Bestattungsmethoden mangelt es nicht an Fantasie. Auch in früheren Epochen praktizierte der Mensch Riten rund um den Leichnam, wenngleich weniger extravagant. Ursprüngliche Formen der Beerdigung beschäftigen den syrischen Archäologen Mohamad Mustafa: Er analysiert Bestattungssitten des präkeramischen Neolithikums, der frühen Jungsteinzeit (vor rund 10.000 bis 8000 Jahren).

Das Gebiet, auf das er sich dabei konzentriert, ist der Süden der Levante, wo sich heute Jordanien, Israel, Palästina und Syrien befinden. In seiner Doktorarbeit, für die der 29-jährige Forscher vergangenen Sommer ein Doc-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erhielt, will er mögliche Zusammenhänge zwischen Glauben und Ritualen ergründen. Schließlich gibt es aus jener Zeit erstmals Anzeichen dafür, dass Gebäude spezifisch für rituelle Praktiken genutzt wurden.

In den 19 Grabungsstätten, die Mustafa heranzieht, finden sich viele Schädel, die separat vom übrigen Skelett beigesetzt wurden. Ein Beispiel dafür ist die 15 Hektar große Siedlung von Ain Ghazal im heutigen Jordanien. Der mögliche Ablauf: Man bestattete einen Leichnam, teils direkt unter den Böden von Wohngebäuden, und ließ ihn einige Jahre ruhen, bis die Weichteile verwest waren. Dann grub man den Schädel wieder aus und deponierte ihn in einer zweiten Bestattung andernorts, zusammen mit weiteren Köpfen. Darüber hinaus wurden an manchen Schädeln Gesichtsmasken aus Gips angefertigt. Vom Ende der Epoche sind wiederum nur komplette Skelette erhalten.

Die Interpretation dieser Funde und der zeitlichen und regionalen Veränderungen ist komplex. Jene Personen, deren Schädel fern des restlichen Skeletts und in einer Gruppe beigesetzt wurden, könnten eine besondere Rolle in der Gesellschaft eingenommen haben. Auch die Gipsdarstellungen auf den Schädeln könnten darauf hinweisen oder aber Vorfahren oder Götter darstellen. "Wir wissen, dass es damals einen Austausch zwischen den verschiedenen Siedlungen gegeben hat, sie waren nicht voneinander abgeschottet", sagt Mustafa. "Gleichzeitig hat man wohl versucht, durch unterschiedliche Praktiken eine eigene Identität zu schaffen – vielleicht auch in Form verschiedener Glaubenstendenzen."

Mustafa, der in Aleppo geboren und aufgewachsen ist, verließ 2013 nach seinem Masterstudium die Heimat und zog nach Österreich, wo bereits seine Tante lebte. Ihm wurde Asyl gewährt und sein Universitätsabschluss anerkannt. Anschließend begann er seine Forschung am ÖAW-Institut für Orientalische und Europäische Archäologie, zunächst im Zuge eines Praktikums. Aus den Recherchen leitete er die Fragestellung für sein Doktoratsstudium ab, das er am Institut für Orientalistik der Uni Wien absolviert.

Seine Begeisterung für das Fach hat Mustafa auch seinem Vater zu verdanken, der Geschichtslehrer war. Der Archäologe findet es besonders spannend, aus wenigen Hinweisen Möglichkeiten zu konstruieren, wie die Vergangenheit abgelaufen sein könnte: "Dafür muss man manchmal seine Fantasie benutzen und versuchen, sich in die Menschen hineinzuversetzen, die damals gelebt haben." (Julia Sica, 7.1.2018)