"Farbdynamik (Blau-Weiß-Rot)" stammt nicht von Alexandra Exter, sondern wurde kürzlich als Fälschung entlarvt.


Foto: Die Sammlung Batliner

Wien – Vielseitig und radikal, das sind die für die Kunst der russischen Avantgarde geläufigsten Attribute. Ein Kapitel der Moderne, das von unbändiger Experimentierfreude zeugt: sowohl von Künstlern, aber auch von Fälschern. Nach dem Zerfall der Sowjetunion war eine Flut an Werken russischer Künstler in den Westen gelangt, die stalinistische Säuberungsaktionen in geheimen Depots oder Privatsammlungen überdauert hatten. Angeblich.

Das Fehlen historischer Dokumentationen und seriöser Fachliteratur ist nur eine von mehreren Schwachstellen, die Fälscher zu nützen verstehen. Eine leidvolle Erfahrung, die jüngst auch Sammler Herbert Batliner und mit ihm die Albertina absolvierte. Sieben der einst in Wien präsentierten Kunstwerke wurden mittlerweile als Fälschungen überführt.

Etwa Ljubow Popowas Stillleben mit Gitarre, vormals "als überzeugendes Beispiel" gepriesen, "wie meisterhaft es die 1924 verstorbene Künstlerin verstand, "Kubismus und Futurismus miteinander zu verbinden", beispielhaft für die Rezeption der französischen Avantgarde und ihrer Neuinterpretation. Batliner erwarb das Ölbild einst bei der renommierten Galerie Gmurzynska (Köln), 1998 gastierte es im Kunstforum Klaus Albrecht Schröders.

2006 gelangte es im Pulk der Kollektion des Liechtensteiner Rechtsanwaltes als Dauerleihgabe an die Albertina. Die Problematik mit vermeintlichen Arbeiten russischer Avantgarde war damals längst bekannt. Der Tenor der Fachwelt: Bis zum Nachweis der Echtheit gehe man bei russischen Gemälden von Fälschungen aus.

Der Haken: Naturwissenschaftliche Analysen helfen bei der Klärung nur bedingt, da Fälscher mit alten Materialien und Farben arbeiten. Gutachten russischer Experten sind oftmals nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Teils ist es purer Unwissenheit geschuldet, teils sind Fachmeinungen auch korrumpierbar. Recherche oder ein Austausch auf fachlicher Ebene scheitern oft an sprachlichen Barrieren.

Der Fall Alexandra Exter

Selbst Gastspiele als Leihgaben in renommierten Museen oder Institutionen sind noch kein Garant für die Echtheit. Das Puschkin-Museum in Moskau vermietet ebenso Ausstellungsflächen wie das Staatliche Russische Museum in St. Petersburg. Etwa an Galeristen und Kunsthändler, die Teil eines international etablierten Netzwerkes sind. In deren Umfeld tummeln sich wiederum Buchautoren, Kuratoren und Kunsthistoriker, die das System mit ihrer Expertise unterstützen. Exemplarisch dafür steht der Fall Alexandra Exter.

1972 erschien die erste Monografie, die auf dem Archiv der russisch-französischen Künstlerin basiert. Autor war Andrei Nakov, ein Kunsthistoriker, der auch als Malewitsch-Experte gilt. Im Jahr 2000 gründete er eigens eine Assoziation, da Fälschungen der Künstlerin überhandnahmen. Es scheint ein Kampf gegen Windmühlen zu sein.

2009 wurde anlässlich einer Ausstellung im Château de Tours eine Reihe von Werken beschlagnahmt, die sich als Fälschungen entpuppten. Sie stammen aus dem Besitz des Buchautors Jean Chauvelin, der 2003 ebenfalls eine Exter-Monografie publizierte. Teils waren sie mit Gutachten eines gewissen Georgij Kovalenko versehen, eines Kunsthistorikers, der angeblich an einem Werkverzeichnis von Exter arbeitet. Die Causa ist bis dato gerichtsanhängig.

Weder Chauvelin noch Kovalenko hätten je Einsicht in das Archiv begehrt, erklärt Nakov. Kovalenko hatte vor 2005 auch Exters Stillleben mit Flaschen und Krug aus der Sammlung Batliner expertisiert. Laut dem Bestandskatalog von 2005 sei es einst im Besitz einer gewissen "Ljubow Gackenbusch, Kiew" gewesen. Laut Nakov eine Fantasieprovenienz und nicht die einzige. Bereits 1989 hatte Nakov internationale Experten davor gewarnt.

Exters Farbdynamik (Blau-Weiß-Rot), in der der Kunsthistoriker Rainer Metzger noch 2007 eine Reminiszenz "der russischen, aber auch der französischen Trikolore" zu erkennen glaubte, war über die Galerie Biederman (München) in die Sammlung Batliner gelangt.

Es gehört zu jenen Fälschungen, die im Vorfeld einer Ausstellung in der Albertina (Chagall bis Malewitsch, Februar bis Juni 2016) entlarvt wurden, wie Anfang November einem Bericht des Züricher Tages-Anzeiger zu entnehmen war.

Eine zugehörige Standard-Anfrage an die Albertina blieb trotz mehrfacher Nachfrage unbeantwortet, etwa auch die Frage, wer denn die Kosten für die "umfangreichen Untersuchungen und Materialanalysen in London und Zürich" übernommen hat. (Olga Kronsteiner, 4.1.2018)