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Donald Trumps Verhältnis zur Presse ist nicht rosig, gerne bezeichnet der Präsident Kritik als Fake-News. Auch im Washingtoner Rosengarten gab es im September Spannungen.

Foto: REUTERS/Joshua Roberts

Tayyip Erdoğan war begeistert. "Diejenigen, die auch die Türkei angreifen, haben es gestern wieder versucht", kommentierte der türkische Staatschef Anfang 2017. "Aber er hat sie auf ihren Platz verwiesen." Er – damit war Donald Trump gemeint. In der Rolle der Angreifer sah der türkische Präsident den CNN-Journalisten Jim Acosta, der Trump gern eine Frage gestellt hätte, aber immer wieder unterbrochen wurde. Die Szene vor einem Jahr machte Eindruck auf Autokraten: Seither folgen mehrere von ihnen Erdoğans Beispiel und loben den neuen US-Ton. So wie der türkische Staatschef, in dessen Land dutzende Journalisten in Haft sind, haben sie erkannt, dass es ihnen nützt, wenn der US-Präsident die Presse beflegelt.

Kambodschas Präsident Hun Sen, der philippinische Staatschef Rodrigo Duterte, Syriens Machthaber Bashar al-Assad, sogar das chinesische und das russische Außenamt – alle kämen sie zum gleichen Ergebnis: Trumps Angriffe auf die US-Presse zu wiederholen helfe auch der eigenen Propaganda, weil es unabhängige Medien schwäche. So jedenfalls liest sich der Befund, den "New York Times" und "Voice of America" jüngst der Regierung ausstellten. Auch Trumps Sprecherin Sarah Huckabee-Sanders musste sich schon die Frage gefallen lassen, wie der Staatschef mit dem Lob der Potentaten zurechtkomme.

"Falsche und inakkurate Informationen"

Einer Antwort darauf wich sie aus, der US-Regierung gehe es darum, "falschen und inakkuraten Informationen hier zu Hause" entgegenzutreten, lautete die knappe Reaktion. Die Kommentare aus dem Ausland, so Sanders, kenne sie nicht. Das scheint wiederum selbst fragwürdig, denn die Onlineplattform Politico hatte ihr nur Tage zuvor einen Text mit zahlreichen Beispielen und der Bitte um einen Kommentar übermittelt, den sie damals auch ablieferte: Der Artikel sei "lächerlich", ihr Chef sei eben "kein Gegner der freien Rede".

Tatsächlich muss sich nicht nur Trump kritischen Fragen stellen, sondern auch jene, die der US-Regierung nun vorwerfen, Zensur gutzuheißen. Denn nicht der spätere US-Präsident hatte den Begriff "Fake-News" in die Diskussion über den US-Wahlkampf 2016 eingebracht, sondern seine Gegner. Sie wollten damit auf die Verbreitung erfundener Meldungen im Internet hinweisen, und viele von ihnen fordern noch immer, die Veröffentlichung "echter Fake-News" künftig schwieriger zu machen. Viele EU-Regierungen und Internetfirmen planen solche Schritte. Trump hat den Spieß umgedreht, indem er angesehene Medien als Fake-News bezeichnet – und seine Gegner haben Probleme, zugleich gegen Zensur und für die Einschränkung der Redefreiheit zu argumentieren, ohne dabei opportunistisch zu wirken.

Das ändert freilich nichts an den vielen belegten Fällen, in denen autoritäre Regierungschefs ihre Fahnen nach dem neuen Washingtoner Wind ausrichten: Kambodschas Hun Sen etwa teilte schon im Februar mit, er orientiere sich beim Ausschluss vieler Journalisten von offiziellen Anlässen am Vorbild der USA. Dort dürfe CNN auch nicht überall dabei sein – "und Trump wird deswegen nicht als Diktator verdammt".

Pekings Staatsblatt "People's Daily" sprang im Mai auf den Zug auf. China habe schon seit Jahren gewusst, was nun auch dem US-Präsidenten klar geworden sei, so das Blatt: Fake-News seien "Volksfeinde", und Kritik an Menschenrechtsverletzungen oft der Deckmantel für "antichinesische Tendenzen". "People's Daily" nahm so direkt auf einen Tweet Trumps Bezug, in dem dieser die "New York Times" und die TV-Sender CNN, NBC, ABC und CBS "Feinde des amerikanischen Volkes" genannt hatte. Nicht immer ist freilich klar, wo bei den Angriffen auf die Presse der direkte Eigennutz beginnt und wo es sich um den Versuch handelt, sich den USA anzubiedern.

Diplomaten Libyens und Ägyptens, die gute Beziehungen zu Washington suchen, griffen Ende November ausgerechnet CNN an – jenen großen US-Sender, der wohl am deutlichsten im Widerspruch zu Trump steht. Im Falle Libyens ging es darum, einen Bericht infrage zu stellen, der Bilder von Migranten zeigte, die in Libyen als Sklaven versteigert worden sein sollen.

Ägyptens Außenministerium zeigte sich hingegen nach dem schweren Terroranschlag auf dem Sinai von Ende November über CNN-Interviews verärgert, in dem Bewohner die langsame Reaktion der Armee kritisierten. Es handle sich um die "übliche erbärmliche" Arbeitsweise des Senders, twitterte das Außenamt unter Verwendung des Wortes "deplorable", das auch Trump zu seinem Markenzeichen gemacht hat.

Diktatoren legitimiert

Schwer zu beantworten ist schließlich die Frage, ob der Gleichklang zwischen Autokraten und US-Präsident konkrete Folgen hat. Dass autoritäre Regierungen gegen Kritiker vorgehen, ist schließlich nicht neu. Möglich ist daher, dass das Weiße Haus mit "Fake-News" zwar ein Schlagwort liefert, dies am Vorgehen selbst aber wenig ändert.

Die neuesten Zahlen dazu fallen zwiespältig aus. Die NGO Reporter ohne Grenzen spricht im Jahresbericht 2017 von 326 Journalisten hinter Gittern, was einem leichten Rückgang zum Vorjahreszeitraum entspricht. Das US-Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) berichtete Mitte Dezember hingegen eine neue Höchstzahl von weltweit 262 Medienschaffenden, die wegen ihrer Arbeit in Haft seien. 21 davon werde direkt die "Verbreitung falscher Nachrichten" vorgeworfen.

Schutz der Meinungsfreiheit

Das CPJ nahm in der Pressemitteilung deutlich auf die Politik des Weißen Hauses Bezug: Dieses legitimiere mit der Medienschelte autoritäre Politiker im Ausland.

Komplizierter macht die Sache auch, dass die US-Regierung nicht einheitlich agiert. Während Trump über Fake-News klagt und Journalisten beschimpft, setzt sein Außenamt manche Bemühungen zum Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit fort. Das musste auch Hun Sen erfahren, gegen dessen Regierung die USA im Dezember Sanktionen verhängten: wegen der Inhaftierung des kambodschanischen Oppositionschefs, des Verbots von Parteien – und auch wegen der Schließung von Medien. (Manuel Escher, 6.1.2018)