Hitlers Geburtshaus steht in Braunau, in Wien regiert Türkis-Blau. Manche regt das mehr auf als der Wetterbericht.

Illustration: Felix Grütsch

Grafik: Felix Adolf Grütsch

Egal, wo du hinfährst und dieses Thema ansprichst, überall sind die Leute schockiert darüber, dass die FPÖ in der Regierung sitzt. Nur in Österreich nicht. Hier wird über diesen skandalösen Umstand im selben Tonfall geplaudert wie über den Wetterbericht. Nachdem diese kleinkarierten Spinner nun aber tatsächlich Ministerien und gesellschaftspolitische Verantwortung übernommen haben, wollen wir uns kurz noch mal vergegenwärtigen, mit wem wir es hier zu tun haben:

Mitglieder dieser Partei haben sich seit Jahrzehnten mit antisemitischen (seit neuestem vermehrt pauschal antiislamischen), nationalistischen und sonstigen widerlichen Rülpsern hervorgetan, den Hitlerismus verharmlost bis gutgeheißen, Feindlichkeit gegen Zugereiste zur Wahlkampfmunition gemacht, kritische Kunst verunglimpft und sich laufend durch unappetitlichsten Chauvinismus hervorgetan. Sie haben uns also ausreichend wissen lassen, welcher Gesinnung sie sind.

Hausgemachte Blamage

Und der Hintergrund dieser Gesinnung ist, und nichts anderes ist es, ein verlängerter Nazismus. Aber das beunruhigt unsere aufgeschlossene und dabei immer so freundliche und herzliche österreichische Mainstreamgesellschaft überhaupt nicht mehr. Die systematisch betriebene Verharmlosung der Unausstehlichen war offensichtlich erfolgreich. Eine hausgemachte Blamage! Was geht hier ab? Warum gibt es hierzulande einen Heimvorteil für Nazis? Schon in der Kindheit krankhaft große Begeisterung für Heldensagen? Faszination für Uniformen und Befehlstöne? Sorgt das Autoritäre bei den Ösis für ein Geborgenheitsgefühl? Gab es außer Österreich noch ein zweites Land, in dem ein derartiger Jubel ausbrach, als es von Hitler und seinen Rüpeln überfallen wurde, 1938? Und wer weiß, hätte der in sogenannten geschichtlichen Dokumentationen im deutschsprachigen TV als zwischen dämonisch und faszinierend dargestellte Gröfaz keinen Krieg angezettelt, die Nazis hätten vermutlich ab den 30er-Jahren bis heute hier regiert. Diese keineswegs abwegige, wenn auch zutiefst horrible historische Vision wurde von der österreichischen Nachkriegsliteratur ja ausgiebig thematisiert.

Und kaum haben sie wieder was zu reden, da schlägt er auch gleich ganz deutlich durch, der Hang zu Law and Order, zu Strenge und Sicherheit, zu Heimatverherrlichung und Selbstgefälligkeit, zur Verachtung und Entwürdigung all dessen, was nicht dazugehört zur Heimat, die sie meinen. Und dieser ganze Quatsch ist jetzt wieder mal in Regierungsrang gekommen. Es ist zum Durchdrehen. Ein Schlamassel. Ein Versagen.

Herumschwirrender Nachkriegsnazischwarm

Dass sich diese miserable Gesinnung in den letzten Jahrzehnten nicht aufgelöst hat wie ein Schas im Wind, liegt sicherlich auch daran, dass ÖVP und SPÖ in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg den herumschwirrenden Nachkriegsnazischwarm unter ihre Fittiche genommen und gehätschelt haben. Auf die Wählerstimmen der Ehemaligen wollten sie nicht verzichten. Beispiel: Der SPÖ-Kandidat Adolf Schärf wurde 1957 von seiner Partei mit folgendem Slogan ins Rennen um das Amt des Bundespräsidenten geschickt: "Wer früher schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr." Kein Scherz. Und dass der allseits beliebte Bruno Kreisky in den 70er-Jahren sechs ehemalige Nationalsozialisten mit Ministerämtern betraut hat, wurde zwar oftmals publikgemacht, führte damals auch zu einem heftigen, öffentlich ausgetragenen Konflikt mit Simon Wiesenthal, war der österreichischen Öffentlichkeit aber ziemlich wurscht. Von einer auch nur halbwegs antifaschistischen Justiz wären die nazistisch gesinnten Kerle aus der FPÖ und ihrer Vorläuferorganisation VdU längst aus dem Verkehr gezogen worden. Pech nur, dass es gerade im Justizwesen der Nachkriegszeit nur so wimmelte von Nazisympathisanten.

Und so fand die origin österreichische Errungenschaft des Toleranzpatents (© Joseph II., 1782) in diesem Fall eine völlig fehlgeleitete Anwendung. Die Toleranz für Nazis großzügig ermöglicht zu haben, das kann sich die österreichische Republik wirklich patentieren lassen. Dieses üble Phänomen ist leider zu einem ihrer markantesten Merkmale geworden. Traurig. Und das hat sie jetzt von ihrer Toleranz, die Republik: Jetzt sitzen sie in der Regierung.

Mieselsüchtige Informationen

Aber dann heißt es natürlich gleich wieder: Und wer hat dafür gesorgt, dass die es in die Regierung geschafft haben? Na wer denn? Ja richtig. Die Wählerschaft. Das Volk. Der Souverän. Pah! Und wer ist des Volkes Souverän? Das Gratisblatt. Die verschenkte Blödheit. Der Boulevard. Die Hetzblätter. Der Grind. Eine Bevölkerung, die auf derlei mieselsüchtige Informationen angewiesen ist, wählt wie bestellt. Krawalljournalismus ist Rückenwind für Krawallpolitik. Durch eine massenmedial maßlos übertriebene Verbreitung von Angst und Schrecken (Die Flüchtlinge!) wurde eine Stimmung erzeugt, als ob dem armen Volk tatsächlich Gefahr drohen würde. Von wem? (Den Flüchtlingen?)

Dass der nächste Kanzler (a.k.a. Baby-Schüssel), eine Lichtgestalt für die Umnachteten, nicht nur der jüngste, sondern auch der schleimigste Regierungschef Europas, samt all seinen Hörigen mit der erwähnten Gesinnung kein Problem hat, unterscheidet ihn, wie erwähnt, nicht von diversen seiner Vorgänger. Außerdem vertritt er ja selbst eine Menge Positionen, die in puncto reaktionär den FPÖlern in nichts nachstehen. Diesbezüglich sehr bezeichnend die Aussage bei seinem ersten Auftritt als Bundeskanzler, dass er dafür eintrete, dass es ab jetzt weniger Regelungen geben solle, die dafür aber von allen einzuhalten wären. Ein Vorschlag von grandioser Dumpfheit in zunehmend komplexen Zeiten!

Lederhosen und Bierzelt

Und die FPÖ: Mittlerweile haben wir schon verstanden, dass Strache und Konsorten mittlerweile schon verstanden haben, dass sie sich mit einschlägigen, radikalen Wortmeldungen Eigentore schießen würden, und deshalb beschlossen haben, sich diesbezüglich zurückhalten. Wenn der H.-C. und seine Spezies aber in ihren Lederhosen im Bierzelt vor ihren grölenden Fans stehen und ihre bescheuerten Fähnchen schwingen, sind auch gar keine Wortmeldungen mehr nötig, um zu verstehen, was hier gemeint ist: aggressiver, paranoider Patriotismus.

Abschließend sei hier noch einmal daran erinnert, dass sich die FPÖ bei ihrem letzten Mitregierversuch (2000 bis 2006) als unfähig und korrupt erwiesen hat. Ganz zu schweigen davon, mit welchen Figuren wichtige Repräsentanten dieser Partei zu tun hatten (Burger, Küssel und so weiter) und immer noch zu tun haben (Le Pen, Wilders und so weiter). Tschuldigung. Aber was haben solche Leute auf der Regierungsbank eines zeitgenössischen, fortschrittlichen Staates zu suchen? Nachdem diese Geisterbahn von Regierung jetzt tatsächlich in Betrieb geht, bin ich für geschmalzene, weltweite Sanktionen. Bis zur Abdankung! (Markus Binder, 4.1.2018)