Foto: Twitter/Titanic

Frankfurt – "Keine Sorge, 'Titanic' in engem Kontakt mit Twitter", blödelte das deutsche Satiremagazin am Tag nach der Sperre des "Titanic"-Accounts im Kurznachrichtendienst – und zeigte dazu die Autoreply-Nachricht von Twitter. Nach der Sperre des Accounts von AfD-Politikerin Beatrix von Storch tat "Titanic" auf Twitter, als hätte Storch den Magazin-Account als Gastautorin übernommen. Mittwochnachmittag sperrte Twitter dann auch den "Titanic"-Account – jedenfalls bis Donnerstag.

Die Sperrung dürfte eine Folge des mit Jahresbeginn in Deutschland in Kraft getretenen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes sein, vermutete "Titanic"-Chefredakteur Tim Wolff auf der Webseite des Magazins. "Wir sind schockiert", ließ Wolff verlauten, und in Richtung bisherigem Justizminister und Kanzlerin: "Da haben uns Heiko Maas und Angela Merkel im vorhinein anderes zugesagt! So sind wir nicht mehr gewillt, dabei mitzuhelfen, unbescholtenen, besorgten Bürgern eine linksgrünversiffte Umerziehung zu verpassen."

"Titanic" will den Tweet nicht löschen "und wartet auf eine Reaktion des Twitter-Support-Teams und aus dem – noch! – befreundeten Justizministerium".

Bis 50 Millionen Euro Strafe

Durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz werden soziale Netzwerke verpflichtet, Hinweisen auf rassistische oder andere strafbare Äußerungen nachzugehen. Die Betreiber müssen die Posts oder Videos binnen 24 Stunden löschen, wenn sie sie für verboten halten. Werden strafbare Inhalte nach Hinweisen nicht gelöscht, droht ihnen ein Bußgeld von bis zu 50 Millionen Euro.

"Gasttwitterin" Storch

Die von "Titanic"-Parodie von "Gasttwitterin" Storch schrieb auf Twitter: "Wisst Ihr, was Twitter auf Arabisch heisst, liebe @polizei_nrw_k? Ja? Pfui! Ich weiß es nicht – denn das letzte, was ich haben will, sind besänftigte barbarische, muslimische, gruppenvergewaltigende Männerhorden! (bvs)".

Twitter teilte laut "Titanic" mit, der Account werde bis zur Löschung des Tweets gesperrt.

Foto: Twitter/Titanic

Die echte AfD-Abgeordnete Storch wurde von Twitter zuvor gesperrt wegen des Tweets: "Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf arabisch? Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?" Gegen Storch wird deshalb wegen Verdachts der Volksverhetzung ermittelt.

"Kämpferin für Menschenunrechte"

Wolff: "Wir wollten einer verfolgten Kämpferin für Menschenunrechte Asyl bieten. Denn wenn wir Twitter richtig verstehen, ist es ein Forum für die Schwächsten unserer Gesellschaft: mehrfach herausgeforderte Politiker mit speziellen Ansichten, ganz besondere Menschen also. Dass nun solche Unterstützung einen Verstoß gegen die Twitter-Regeln darstellen soll, verwundert uns."

Journalisten, Netzaktivisten, Wirtschaftsverbände und Oppositionspolitiker kritisierten mit 1. Jänner in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Der Branchenverband Bitkom bezeichnete das Gesetz als verfassungswidrig. Der Zeitdruck bei der Löschung beanstandeter Inhalte und die angedrohten Bußgelder würden dazu führen, dass auch erlaubte Inhalte gelöscht würden, sagte Bitkom-Präsident Bernhard Rohleder.

Der Internet-Verband eco erklärte, das Gesetz führe zu einem "Overblocking" von Inhalten. Weder Twitter noch Facebook wollten mitteilen, wie viele Hinweise auf zweifelhafte Inhalte bisher eingegangen sind und in wie vielen Fällen die Posts oder Videos daraufhin gelöscht wurden.

Wer Meinungsfreiheit verteidigen wolle, dürfe nicht tatenlos zusehen, wie der offene Meinungsaustausch durch strafbare Hetze unterbunden werde, sagte SPD-Politiker Maas der "Bild"-Zeitung. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz kritisierte, es sei ein Unding, dass laut Gesetz die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Äußerungen in die Hände der Unternehmen gelegt werde. Zwar seien Gesetze gegen Hass-Botschaften richtig, aber die Umsetzung sei missraten.

"Meinungsmonster"

In einem Beitrag für den "Spiegel-Online" sprach der Netz-Aktivist Sascha Lobo von einem Vorzeigebeispiel der Unausgegorenheit und dem "Maas'schem Meinungsmonster". Der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Alexander Gauland, warf Maas vor, ein "Anti-Rechtsstaat-Gesetz" geschaffen zu haben. "Wir werden eine Klage gegen das Gesetz prüfen", sagte er Reuters.

Die Unionspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker widersprach dem Eindruck, das NetzDG stelle ein erhebliches finanzielles Risiko für die Konzerne dar. Bußgelder gebe es nur bei systematischen Verstößen. "Einzelfälle, in denen die Beurteilung immer schwierig, strittig oder auch einmal falsch sein kann, reichen für ein Bußgeld nicht." Trotzdem müsse mehr darüber nachgedacht werden, wie Meinungsfreiheit und -vielfalt auf Internetplattformen gesichert werden könne. (red, Reuters, 4.1.2018)