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Wo früher ein Gletscher war, steht heute die Mozartstadt. Erbaut wurde sie auf Seeton, der Teile der linken Altstadt abrutschen lässt.

Foto: Franz Pritz/picturedesk.com

Salzburg – Er hat schon manch ein Bauvorhaben in Salzburg verzögert oder teurer gemacht: der berüchtigte Seeton. Der instabile Untergrund des Salzburger Beckens ist auch dafür verantwortlich, dass die Mozartstadt Jahr für Jahr um ein bis zwei Millimeter absinkt. Teile der linken Altstadt liegen deshalb bereits sieben Zentimeter tiefer als vor 50 Jahren.

Das zeigt sich an zahlreichen Rissen in den Fassaden und Mauern. Entlang des Mönchsbergs sind einige Gebäude stark betroffen. Bergseitig hängen die Häuser am Fels, der andere Teil steht auf einer rund zehn Meter dicken Schotterschicht und Seeton. Weil nur ein Teil des Hauses sinkt, entstehen Risse.

"Am stärksten macht sich die Abbruchkante beim Haus der Natur bemerkbar. Hier wird immer wieder mit Baumaßnahmen sichergestellt, dass das Museumsgebäude nicht auseinanderbricht", erklärt der Salzburger Landesgeologe Rainer Braunstingl. Nach den Regeln moderner Raumordnung dürfte hier gar kein Haus stehen.

Regelmäßige Sanierungen

Jedes Jahr werden die Veränderungen der Risse akribisch überwacht. Das Problem seien vor allem die Deckenkonstruktionen. "Wenn das Zimmer schief wird, machen die Risse ziemlich auf. Da kann das Haus einstürzen", sagt der Geologe. Vor zehn Jahren waren einige Risse bereits so breit, dass eine Faust hineinpasste. "Die Risse wurden mit Ankernägeln zugespannt und verbunden, damit sie nicht mehr aufreißen", sagt Braunstingl. Das gesamte Gebäude, das früher ein Ursulinenkloster war, wurde damals saniert.

Den bisher größten Schaden durch das Absinken hatte die zu dem Komplex gehörende Markuskirche neben dem Haus der Natur. "1973 ist die Markuskirche inmitten durchgerissen", sagt der Landesgeologe. Sie musste wegen akuter Einsturzgefahr gesperrt und aufwendig gesichert werden. Seither werden die Veränderungen überwacht, um bei besonders gefährdeten Gebäuden rechtzeitig gegenzusteuern.

Riss im Festspielhaus

Der instabile Boden zieht sich bis in den Festspielbezirk. Auch im Festspielhaus ist bereits ein Riss im Haus für Mozart zu sehen. Er zieht sich in der Betonmauer hinter der Orgel von der Bühnentür bis ins Dachgeschoß.

Besonders ruckartig ist die Altstadt Ende der 70er-Jahre abgerutscht. "Die Setzungen waren verstärkt. Das Sediment ist im Jahr einen Zentimeter nachgegangen." Inzwischen sinkt die Seetonseite wieder gering und gleichmäßig.

Auch die Salzach gräbt sich immer tiefer in den Boden. Das sei durch die Regulierung des Flusses bedingt, sagt Bernstingl. Die Sperren und Wildbachverbauungen würden Schotter abhalten. Es fehlt Geschiebe. Durch die Verschmälerung und Begradigung hat das Wasser an Tempo zugelegt. Deshalb schürfe die Salzach nach. In den vergangenen 150 Jahren hat sich das Flussbett der Salzach um bis zu vier Meter im Stadtgebiet eingetieft. Am dramatischsten war es beim Jahrhunderthochwasser 1959. Beim Messpunkt an der Staatsbrücke wurden zweieinhalb Meter Höhenunterschied gemessen, der Fluss sackte richtiggehend ab.

Gletschersee hinterließ Seeton

Wie der Seeton nach Salzburg kam? In der letzten Eiszeit wurde das Salzburger Becken vom Gletscher geformt. Nach dem Abschmelzen vor etwa 10.000 Jahren bildete sich ein See. Die feinkörnigen Ablagerungen des Sees nennt man Seeton. Probleme verursachte der Ton bereits beim Bau von Kongresshaus und Bahnhofsgarage. Aufgrund seines hohen Wassergehalts ist er instabil.

Wie bei einer Schlammpfütze wandere das Wasser aus dem Seeton nach oben, und die Gesteinsteilchen rücken zusammen, erklärt Braunstingl. Er trocknet aus und sinkt nach innen weg. "Mächtige Sedimentkörper senken sich langsam ab. Das ist auch der Grund, warum die Stadt Venedig sinkt." (Stefanie Ruep, 5.1.2018)