Zwei Arten von Nachbarn können Giraffenfamilien gar nicht gebrauchen: Menschen und Löwen.
Foto: Zoe Muller - University of Bristol

Bristol – Völlig unangreifbar ist selbst ein sechs Meter hoher und eineinhalb Tonnen schwerer Giraffenbulle nicht: Auch die höchsten Säugetiere der Welt müssen sich in Acht nehmen, um nicht zur Beute eines Löwenrudels zu werden. Noch viel stärker gilt dies natürlich für Giraffenkälber, auf die es auch kleinere Räuber wie Leoparden oder Wildhunde abgesehen haben.

Löwenangriffe auf Giraffen sind dokumentiert, kamen bislang aber kaum über den Rang von anekdotischer Evidenz hinaus. In welchem Ausmaß Giraffen zur Beute von Löwen werden und wie sich das auf ihre Bestandsentwicklung auswirkt, hat sich nun die Biologin Zoe Muller von der Universität Bristol genauer angesehen. Sie verglich dafür zwei Regionen mit Giraffen-Populationen, die beide im Rift Valley von Kenia liegen, sich aber in einem Punkt unterscheiden: Eine hat einen hohen Bestand an Löwen, während die andere löwenlos ist.

Brisante Nachbarschaft

Wie sich zeigte, war auch die Alterspyramide der Giraffenpopulationen sehr unterschiedlich: In der Region ohne Löwen machten Jungtiere unter einem Jahr 34 Prozent des Bestands aus. Wo sich die Löwen tummelten, waren es lediglich sechs Prozent. Muller wertet dies als klares Anzeichen dafür, dass Berichte über Löwen, die es gezielt auf Giraffenkälber abgesehen haben, stimmen.

Daraus ergibt sich eine bislang unbeachtete Anforderung für den Artenschutz der seit 2016 als "gefährdet" eingestuften Giraffen. Und der ist ohnehin schon schwierig genug: So ist zum Beispiel umstritten, ob man es tatsächlich nur mit einer einzigen Giraffenart oder mit mehreren zu tun hat. Zudem schrumpft der Lebensraum der großen Säuger immer weiter. Schutzgebiete tun Not – wie Mullers Studie zeigt, müssen diese aber noch akribischer geplant werden als bisher gedacht: Weist man Löwen und Giraffen dieselben Reservate zu, werden sich die Populationen nicht erholen können; sie könnten sogar vollständig zusammenbrechen. (jdo, 5. 1. 2018)