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Sind Ihnen solche Anblicke (Meeresschwamm, Schwammkürbis und Bienenwaben) unangenehm? Dann können Sie sich in Trypophobiker-Foren austauschen. Laut Wissenschaftern handelt es sich aber nur um ganz normalen Ekel – auch wenn sich der gegen vollkommen unbedenkliche Objekte richtet.
Fotos: AP/CSIRO, Wikimedia Commons/Jerry Crimson Mann und REUTERS/David W Cerny

Atlanta – Seit mindestens einem Jahrzehnt geht in Internet-Foren eine seltsame Angst um: Trypophobie, Aversion gegen den Anblick von Poren- und Lochmustern, die je nach subjektivem Betroffenheitsgrad von Ekel bis zu tatsächlicher Angst reichen soll. Zu sehen ist der Auslöser an so harmlosen Gegenständen wie Badeschwämmen, Honigwaben oder – bei Trypophobikern besonders "gefürchtet" – den Kapseln von Lotospflanzen.

Social Media haben der angeblichen Phobie in jüngster Vergangenheit zu verstärkter Popularität verholfen. Wie modisch Trypophobie geworden ist, zeigt unter anderem der Umstand, dass sie neben Killer-Clowns und der Präsidentschaft von Donald Trump zu einem der Leitmotive der aktuellen Staffel von "American Horror Story" erkoren wurde.

Bisherige Studien

Wissenschafter standen dem Phänomen eher skeptisch gegenüber – zumindest was seine Einstufung als Phobie betrifft; es gibt daher auch nach wie vor keine offizielle Anerkennung als Phobie. Und die rückt auch mit jeder neuen Studie zu dem seltsamen Phänomen in weitere Ferne.

Tenor der bisherigen Untersuchungen: Es handelt sich lediglich um ein Ekelgefühl. Muster, wie sie durch Hautkrankheiten oder Parasitenbefall zustande kommen, werden auf harmlose Kontexte übertragen und lösen daher eine ablehnende Reaktion aus. Vor einem halben Jahr etwa wiesen Psychologen der Universität Kent dieser optischen Parallele die entscheidende Rolle zu.

Neues Experiment

In dieselbe Kerbe schlagen nun Psychologen der Emory University in Atlanta. Das Team um Stella Lourenco setzte aber nicht auf die Befragung von Phobikern und Nichtphobikern, sondern maß deren körperliche Reaktionen auf optische Reize, um ein objektiveres Bild zu bekommen. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin "PeerJ" veröffentlicht.

Der Hintergrund: Tatsächlich angstauslösende Bilder wie der Anblick von Spinnen oder Schlangen wirken sich auf den Sympathikus aus, jenen Teil des vegetativen Nervensystems, der die Aktionsfähigkeit erhöht und entweder Flucht oder Kampf ermöglicht. Das äußert sich unter anderem in beschleunigtem Herzschlag, höherer Atemfrequenz und einer Erweiterung der Pupillen.

Was die Pupillen verraten

Lourenco interessierte vor allem die letztere Reaktion. Sie maß bei ihren Versuchsteilnehmern laufend die Pupillengröße, während diesen Bilder von gefährlichen Tieren, von Lochmustern und von neutralen Motiven vorgeführt wurden.

Das Ergebnis: Bei den Lochbildern trat das genaue Gegenteil ein, die Pupillen zogen sich zusammen. Das ist laut Lourenco typisch für Ekel. Im Gegensatz zur Kampf-oder-Flucht-Reaktion spielt hier der Parasympathikus die entscheidende Rolle. Herzschlag und Atemfrequenz sinken, die Pupillen ziehen sich zusammen, der Körper macht gewissermaßen dicht und zieht sich vorsichtig vom potenziell schädlichen Objekt zurück.

Interpretation der Ergebnisse

Im subjektiven Erleben sei es oft schwer, zwischen Ekel und Angst zu unterscheiden, so die Forscherin. Die Ergebnisse seien aber eine weitere Stütze für die Vermutung, dass dabei zwei unterschiedliche neurale und physiologische Vorgänge ablaufen. Und Trypophobie steht offenbar auf der Ekel-Seite des Spektrums.

Allerdings räumt Lourenco auch ein, dass das von vielen belächelte Phänomen weiter verbreitet sein dürfte als gedacht. Immerhin hatte sie unter den College-Studenten, die sich für ihr Experiment gemeldet hatten, nur solche als Probanden ausgewählt, die angaben, nicht unter der Aversion gegen Lochmuster zu leiden. Trotzdem ließen sich unbewusste körperliche Reaktionen auf die Loch-Bilder verzeichnen.

Schrecken aller Schrecken: eine Lotoskapsel.
Foto: Peripitus/Wikipedia Commons

Auch Lourenco kommt daher – wie schon frühere Studien – zum Schluss, dass die kurios anmutende Doch-nicht-Phobie letztlich evolutionär bedingt ist. Es sei eine auf harmlose Objekte übertragene Vermeidungsreaktion, die uns seit den Zeiten unserer fernen Urahnen dazu bringt, uns von krank aussehendem Gewebe fernzuhalten. (jdo, 6. 1. 2018)