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Auch gemäß den Regierungsplänen wird in Österreich nicht rund um die Uhr gearbeitet.

Foto: REUTERS / New Line Entertainment / Handout

Die Vorhaben der Bundesregierung im Bereich des Arbeitszeitrechts werden derzeit lebhaft diskutiert. Wer die Berichterstattung verfolgt, gewinnt den Eindruck, dass die Arbeitszeit generell von täglich acht auf zwölf Stunden und wöchentlich von 40 auf 60 Stunden angehoben werden soll.

Doch nach einem Blick ins Regierungsprogramm kann Entwarnung gegeben werden. Insbesondere das Unionsrecht würde einer regelmäßigen 60-Stunden-Woche einen Riegel vorschieben. Nach der EU-Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (AZ-RL) darf die wöchentliche Arbeitszeit inklusive Überstunden durchschnittlich – also innerhalb eines Durchrechnungszeitraums von 17 Wochen – nicht mehr als 48 Stunden betragen.

Weiters muss eine tägliche Mindestruhezeit von mindestens elf Stunden und einmal pro Woche eine Wochen(end)ruhe von mindestens 35 Stunden eingehalten werden. Der österreichische Gesetzgeber ist zwingend an diese Grenzen gebunden.

Aufgrund der einzuhaltenden täglichen Mindestruhezeit erlaubt die AZ-RL eine tägliche Höchstarbeitszeit von 13 Stunden. Genau diese tägliche Grenze gilt für etwa 70.000 österreichische Bundesbeamte als gesetzliche tägliche Höchstarbeitszeit und hat bisher keine Aufregung verursacht.

Im privaten Bereich ist der Gesetzgeber derzeit wesentlich restriktiver: Die Höchstarbeitszeit darf derzeit – abgesehen von unübersichtlich geregelten Ausnahmen insbesondere auf Basis von Kollektivverträgen – an einzelnen Tagen maximal zehn Stunden und in einzelnen Wochen maximal 50 Stunden betragen. Diese Grenzen sollen nun auf maximal zwölf bzw. 60 Stunden angehoben werden.

Beschränkte Überstunden

Es handelt sich bei diesen Höchstarbeitszeitzeiten aber gerade nicht um die regelmäßig zu leistende Arbeitszeit. Es ist völlig klar, dass sie auch zukünftig die Ausnahme bleiben werden (müssen). Dies ergibt sich nicht nur aus dem einzuhaltenden 48-Stunden-Schnitt, sondern auch aus den Beschränkungen für die Leistung von Überstunden.

Nach den Ausführungen im Regierungsprogramm soll die Normalarbeitszeit weiterhin maximal nur 40 Stunden in der Woche bzw. acht Stunden täglich betragen. Darüber hinausgehende Überstunden sollen offenbar weiterhin einer zahlenmäßigen Beschränkung unterliegen und sind zuschlagspflichtig.

Die Beschränkung der Überstunden ergibt sich zum einen aus einer Deckelung der Überstunden und zum anderen aus der Höchstarbeitszeitgrenze. Grundsätzlich dürfen jede Woche zunächst einmal nur fünf Überstunden angeordnet werden. Zusätzlich gibt es ein Kontingent von 60 Überstunden pro Jahr (§ 7 Abs 1 AZG).

Aufgrund der wöchentlichen Höchstarbeitszeitgrenze von 50 Stunden sind derzeit in einzelnen Wochen daher maximal zehn Überstunden (40 Stunden Normalarbeitszeit plus zehn Überstunden) zulässig. Wird die Höchstarbeitszeitgrenze wie geplant auf 60 Stunden erhöht, sind zwar zukünftig bis zu 20 Überstunden in der einzelnen Woche zulässig.

Werden aber die bisherigen Überstundenkontingente (fünf Überstunden pro Woche plus zusätzlich 60 Überstunden im Jahr) nicht ebenfalls erhöht, kann diese Ausdehnungsmöglichkeit der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden nur viermal (!) im Jahr ausgeschöpft werden.

Besonderer Arbeitsbedarf

Von einer generellen Ausdehnung kann daher keine Rede sein. Es geht um die Abdeckung eines in Ausnahmefällen auftretenden Spitzenbedarfs. Bereits jetzt sieht das AZG die Möglichkeit von Sonderüberstunden vor, die mit dem Betriebsrat und nicht mit der Gewerkschaft zu vereinbaren sind.

Bei vorübergehend auftretendem besonderen Arbeitsbedarf dürfen durch Betriebsvereinbarung zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils in höchstens 24 Wochen des Kalenderjahres Überstunden bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden zugelassen werden, wenn andere Maßnahmen nicht zumutbar waren (§ 7 Abs 4 AZG).

Diese Regelung soll nun insofern geändert werden, als die Voraussetzung des unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils entfallen soll. Das wird kaum Auswirkungen haben, denn die Praxis konnte mit diesem Begriff wenig anfangen und hat stets den Abschluss einer Vereinbarung genügen lassen. Bei Betrieben ohne Betriebsrat soll die Voraussetzung der arbeitsmedizinischen Unbedenklichkeitsbescheinigung entfallen, die in der Praxis in der Regel aber ohnehin erteilt wurde.

Mehr Freizeit statt mehr Geld

Sehr kritisch sehen Arbeitnehmervertretungen das Vorhaben, mehr Möglichkeiten zur Gestaltung flexibler Arbeitszeiten in Form der Durchrechnung der Normalarbeitszeit über einen mehrwöchigen Zeitraum zu schaffen.

Derartige Modelle dehnen die tägliche Normalarbeitszeit an einzelnen Tagen aus und verkürzen sie an anderen Tagen. Im Durchschnitt bleibt es bei der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen wöchentlichen Normalarbeitszeit. Arbeitnehmer verlieren dadurch jedoch Überstundenzuschläge, weil die Mehrarbeit an einzelnen Tagen mit mehr Freizeit an anderen Tagen ausgeglichen wird.

Bisher bedurften derartige Modelle – mit Ausnahme der Gleitzeit – ausnahmslos der Zustimmung der Gewerkschaft. Im Ergebnis führte dies zu Lösungen, die für eine ganze Branche galten; auf das einzelne Unternehmen zugeschnittene Lösungen waren nicht immer möglich. Künftig sollen diese Modelle auch mit dem Betriebsrat und in Betrieben ohne Betriebsrat mit den einzelnen Arbeitnehmern vereinbart werden können.

Die Gewerkschaft befürchtet, dass Betriebsräte und Arbeitnehmer im Gegensatz zu ihr keine Gegenforderungen werden durchsetzen können. Das mag vielfach stimmen. Übersehen wird dabei, dass es derzeit gar nicht wenige Arbeitnehmer gibt, die flexible Arbeitszeiten wollen, diese mangels Einigung der Wirtschaftskammer mit der Gewerkschaft aber nicht möglich waren. (Christoph Wolf, 9.1.2018)