Jean-Claude Juncker ist "nicht in kriegerischer Stimmung".

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Warschau/Brüssel – Im Streit um die Rechtsstaatlichkeit und die Aufnahme von Flüchtlingen hat sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dagegen ausgesprochen, Polen die milliardenschweren Fördergelder zu kürzen, und setzt auf Dialog. Am Dienstag reist der neue polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu einem Gespräch mit Juncker nach Brüssel.

Er wolle "keine wilden Drohungen ausstoßen", sondern "vernünftig" mit der polnischen Seite reden, sagte Juncker im Interview mit dem ARD-Europamagazin. Die EU-Kommission hatte kürzlich ein beispielloses Verfahren gegen Polen eingeleitet, an dessen Ende dem Land die Stimmrechte in der EU entzogen werden könnten. Grund ist unter anderem ein Gesetz, mit dem der polnische Justizminister ohne Angaben von Gründen Richter absetzen kann. Für die EU-Kommission ist damit die Unabhängigkeit der Justiz in Polen in Gefahr.

"Nicht in kriegerischer Stimmung"

Polen profitiert finanziell am stärksten von der Finanzhilfe in der Union. Es war 2016 mit 7,1 Milliarden Euro der größte Nettoempfänger von EU-Geldern. Juncker sagte, er werde sich bei dem Treffen mit Morawiecki um ein Klima bemühen, in dem Polen und die EU wieder aufeinander zugingen. "Ich bin nicht in kriegerischer Stimmung", sagte der Kommissionschef. Um Druck auf Polen aufzubauen, sei die Kürzung von Fördergeldern der falsche Weg: "Das ist schwierig, weil man darf den Mitteleuropäern nicht den Eindruck geben, dass Westeuropa allein in der Europäischen Union führen würde."

Kompromisslos zeigte sich Juncker bei der Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Er erwarte, dass Polen und auch Ungarn sich an getroffene Vereinbarungen hielten und entsprechend Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufnähmen. Auf die Frage, in welcher Größenordnung das passieren müsse, sagte Juncker dem ARD-Europamagazin: "Das wären mehr als mehrere Hundert."

Nicht hinnehmen will Brüssel dabei, dass sich Länder die Flüchtlinge aussuchen: "Ich akzeptiere nicht, dass man sagt: Wir nehmen auf unserem Staatsgebiet keine farbigen Menschen auf, keine Islam-Gläubigen, keine Schwulen. Dass verstößt massiv gegen die europäischen Grundwerte."

Klage gegen Polen, Ungarn, Tschechien

Die EU-Innenminister hatten im September 2015 gegen den Widerstand osteuropäischer Staaten die Umverteilung von 120.000 Asylbewerbern beschlossen. Sie sollten nach einem Quotensystem aus den stark belasteten Hauptankunftsländern Italien und Griechenland in die anderen Mitgliedstaaten gebracht werden. Weil sie die Aufnahme verweigern, hat die Kommission Polen, Ungarn und auch Tschechien vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.

Vor dem für acht Uhr geplanten Abendessen mit Juncker in Brüssel will Morawiecki, der vor einem Monat als Nachfolger von Ministerpräsidentin Beata Szydlo vereidigt worden, am Dienstag sein Kabinett umbilden. Es handle sich um eine "technische" Regierungsumbildung, hieß es im Voraus aus Warschau. (APA, 9.1.2017)