Nationalistenaufmarsch in Kiew, 8.1.2018

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Kiew/Moskau – "FSB haut ab aus der Lawra" steht auf dem Plakat, das ukrainische Nationalisten am Eingang des berühmten Kiewer Höhlenklosters in die Kamera halten. Einen Tag nach der orthodoxen Weihnacht blockierten Vertreter der radikalen Gruppierung C14 das wichtigste orthodoxe Zentrum der ukrainischen Hauptstadt. Sie brannten Pyrotechnik ab und skandierten ihre Losungen über Lautsprecher. Erst nach stundenlangen Verhandlungen mit einem Kirchenvertreter zogen die Nationalisten am Abend ab.

Hintergrund des Streits ist die angebliche Weigerung der Geistlichen, eine Totenmesse für ukrainische Soldaten zu zelebrieren, die im Donbass gefallen sind. Die Priester hätten ihre Absage demnach damit begründet, dass die Toten der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats angehörten. Das Höhlenkloster untersteht der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats.

Ebendies dürfte auch der wahre Hintergrund des Streits sein. Seit Jahren gibt es Zank um das Kloster, das beide orthodoxen Kirchen für sich beanspruchen. Das Kiewer Patriarchat ist zwar international nicht als kanonisch anerkannt, doch gibt es starke Bestrebungen, das Patriarchat zur ukrainischen Nationalkirche auszubauen, um auch auf religiöser Ebene eine stärkere Trennung zu Russland zu vollziehen. Priester des Moskauer Patriarchats werden von ukrainischen Nationalisten oft als Interessenvertreter des Kremls angesehen.

Anschlag auf Kulturzentrum

Der Streit um die Kirchenhoheit ist nicht der einzige Vorfall, der das russisch-ukrainische Verhältnis derzeit weiter belastet. Nur einen Tag zuvor hatten Unbekannte das Gebäude der russischen Wissenschaft und Kultur in Kiew angegriffen. Die Täter beschmierten das Gebäude mit roter Farbe. "Zudem haben sie versucht, die Fenster an der Vorderfront einzuschlagen", teilte ein Mitarbeiter des Zentrums mit, der den Sachschaden als "bedeutend" einstufte und das nationalistische Schwarze Komitee als Verantwortliche der Tat bezeichnete.

Tatsächlich hatte die dem Rechten Sektor nahestehende Organisation auf ihrer Webseite ein Video des Anschlags veröffentlicht. Das Kulturzentrum sei als staatliche russische Einrichtung nur Deckmantel für eine versuchte Einflussnahme in der Ukraine und betreibe Propaganda für die "russische Welt", begründeten die Täter ihre Aktion.

Immer wieder kommt es in der Ukraine zu Übergriffen auf russische oder mutmaßlich russische Einrichtungen. Auf der anderen Seite ist auch das ukrainische Kulturzentrum in Moskau immer wieder Angriffen ausgesetzt. Folgen für die Täter haben solche Attacken beiderseits nicht. (André Ballin, 9.1.2018)