Ausnahmsweise sollen es nicht Meldungen über Atombomben- und Raketentests sein, die Nordkoreas Nachrichtensprecher zu Tränen rühren. Stattdessen, so will es zumindest Pjöngjang, werden sportliche Leistungen für Begeisterung sorgen. Von großen Erfolgen bei den Olympischen Spielen ist zwar nicht auszugehen, auch weil sich nur ein nordkoreanisches Team für die Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang qualifiziert hat. Aber: Dabei sein ist alles. Vor allem dann, wenn es dazu dient, den Druck auf den eigenen, sanktionsgeplagten Staat zu senken.

Für Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hätten die Gespräche am Montag kaum besser laufen können. Sein Land schien vor zwei Wochen noch am Rand des Atomkriegs zu stehen – nun konnte es sich als Partner inszenieren. Rundum lobten Verhandler konstruktive Gespräche; Nordkoreaner dürfen an den Spielen teilnehmen und werden vielleicht gemeinsam mit Sportlern aus Südkorea ins Stadion einmarschieren. Zudem einigte man sich darauf, die Militärtelefonleitung zwischen Süd- und Nordkorea wieder zu öffnen. Auch das ist ein Deeskalationsschritt.

Kriegsgefahr gebannt

Kurzum: Kim kann jetzt besser schlafen als zuvor. Die direkte Kriegsgefahr scheint gebannt. Und bezahlen musste er dafür fast nichts: Alle Zugeständnisse, die Nordkorea am Montag machte, können so schnell wieder rückgängig gemacht werden, wie Pjöngjang sie ausgesprochen hat. Ganz nebenbei hat er auch noch sein Hauptziel erreicht: die Interessen Südkoreas von jenen der USA loszulösen.

Trotzdem war es auch für Seoul ein Erfolg – endlich, wie sich Präsident Moon Jae-in sagen wird. Er hat im Wahlkampf versprochen, die Kriegsgefahr zu senken. Früchte trugen seine Bemühungen nicht. Bizarre Schimpfwettkämpfe und Atomknopf-Größenvergleiche aus Washington und Pjöngjang kamen ihm dazwischen. Auch so ist wohl zu erklären, dass Südkorea dem kommunistischen Nachbarn nun besonders weit entgegenkommt. Sogar über eine vorübergehende Aussetzung von Sanktionen will man um des lieben Friedens willen sprechen, auch wenn dieser nicht viel länger halten sollte als für die Dauer der Olympischen Spiele.

Denn sosehr es zu begrüßen ist, dass beide nun einen Schritt zurückmachen: Der Abgrund ist immer noch nah. Nordkorea wird sein Verhalten auf längere Sicht nicht ändern, mit weiteren Raketen-, womöglich auch Atomtests ist jederzeit zu rechnen.

Misstrauen auf beiden Seiten

Denn an den Gründen der Konfrontation hat sich wenig geändert. Beide Seiten misstrauen einander, und zwar völlig zu Recht. Pjöngjang wie auch Seoul verfolgen beide das Fernziel, den je anderen Staat in mittlerer Zukunft in den eigenen zu integrieren. Vorzugsweise friedlich, aber wenn nötig, dann vielleicht auch mit Gewalt.

Lange werden wohl auch die USA den guten Willen nicht durchhalten können, den sie nun zur Schau stellen; spätestens dann, wenn China und Russland beginnen, über eine Lockerung der Nordkorea-Sanktionen zu sprechen. Dann wird man sich in Washington fragen, ob eine Entspannung im eigenen Interesse ist – oder ob sie doch wieder auf Härte setzen sollen.

Doch auch wenn die schönen Worte, die gute Stimmung und die Hoffnung nicht lang halten mögen: Den Versuch ist es allemal wert, die Alternative wäre Krieg. Was das bedeutet, weiß jeder, der einmal Bilder von Treffen gesehen hat, wie es sie nun wieder geben soll: solche von Familien, die der Koreakrieg vor 65 Jahren trennte. (Manuel Escher, 9.1.2018)