Jeder kennt die Kollegin, die um acht Uhr im Büro sitzt, davor schon im Yogastudio war und bereits alle Mails abgearbeitet hat. Oder den Kollegen, der täglich um sieben Uhr schon eine Stunde joggen war und danach die Kinder in die Schule bringt. Wieder eine meditiert, der andere isst jeden Tag dasselbe zum Frühstück.

Das mag nicht für jeden der perfekte Start in den Tag sein. Doch gut zu wissen ist, dass die erste Stunde des Tages die Laune, die Produktivität und den Stress der folgenden Stunden bestimmt. Wer also gehetzt aus dem Bett springt, schnell Zähne putzt und dann einen Kaffee hinunterschüttet, hat höchstwahrscheinlich auch einen nicht ganz so entspannten Tag wie die Kollegen, die sich am Morgen genug Zeit für sich nehmen.

Achtsamer, entschleunigter, produktiver zu sein trifft den Nerv der Zeit: In Buchhandlungen liegt gefühlt jeden Monat ein neuer Ratgeber auf, der erklärt, wie man den Morgen am besten nutzt und gleichzeitig auch noch besser im Job wird. Und auch wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich mit Frühaufstehern und Nachteulen.

Die erste Stunde des Tages bestimmt den Tagesverlauf.
Foto: istock

Was ist nun die perfekte Morgenroutine? Die gibt es nicht. Eine Morgenroutine zeichnet sich dadurch aus, dass sie individuell ist. Jeder soll also jeden Tag nach dem Aufstehen immer das Gleiche machen, was ihm oder ihr guttut. "Eine frühe morgendliche Praxis ist bestimmend für den Tag, denn wir setzen damit ein Zeichen: unsere Wahl. In diesen frühen Stunden des Tages entsteht für mich das Gefühl, dass ich meinen Tag (und mein Leben) aktiv in die Hand nehme", sagte Christina Bösenberg, Wirtschaftspsychologin und Coach, der Zeitschrift "Business Punk".

Das kann etwa mit den folgenden Morgenroutinen gelingen:

Meditation

Die einen drücken viermal auf die Snooze-Taste ihres Weckers, verfallen für eine halbe Stunde in einen unruhigen Schlaf und sind danach womöglich unausgeschlafener als vorher. Andere nutzen diese halbe Stunde, um zu meditieren: im Schneidersitz mit geschlossenen Augen dasitzen und versuchen, an nichts zu denken. Wer das schafft, ist nach dem Dämmerzustand fokussierter und kann sich im Büro besser konzentrieren.

Schreiben für einen freien Kopf.
Foto: Istock

Gedanken freien Lauf lassen

Viele haben nach dem Aufwachen sofort ihr Smartphone in der Hand. Die Verfechter der sogenannten Morning Pages, entwickelt von Coach Julia Cameron, greifen zuerst zu Stift und drei Seiten Papier und befüllen diese mit allen Gedanken, die ihnen gerade durch den Kopf gehen. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch, Morning Pages müssen keine literarischen Ergüsse sein. Die einzige Regel: Keine Seite darf leer bleiben. Das soll dabei helfen, unnötigen Ballast abzuwerfen und klarere Gedanken zu fassen.

Sport als Klassiker

Vor dem Büro Sport zu treiben ist nichts Neues, dafür effektiv – wie womöglich die Yoga praktizierende Kollegin oder der joggende Kollege vorlebt. Sport hilft, den Kreislauf anzuregen, man ist wacher. Wem das nicht zusagt, der kann klein anfangen: Sich nur zu strecken hilft schon dabei, munter zu werden und besser gelaunt zu sein.

Die in Harvard forschende Psychologin Amy Cuddy fand heraus, dass schlechte Laune am Morgen durch eine zusammengerollte Schlafhaltung beeinflusst wird. Sie geht davon aus, dass unsere Körpersprache unsere Emotionen bedingt und umgekehrt. Daher sollte man sich nach dem Aufwachen eine Minute Strecken: Hände über den Kopf und lang machen. Das führt laut Cuddy dazu, dass man selbstbewusster und leistungsfähiger ist.

Wer jeden Tag dasselbe isst, muss nicht schon nach dem Aufstehen Entscheidungen treffen.
Foto: Istock

Essen

Manche bekommen morgens keinen Bissen runter. Andere überlegen schon während dem Zähneputzen, ob sie ein Butterbrot oder doch lieber einen Obstsalat essen sollen. Viele Menschen, die das Frühstück zu ihrer Routine gemacht haben, essen täglich dasselbe, um nicht gleich nach dem Aufstehen schon eine Entscheidung zu treffen, denn viele Entscheidungen pro Tag können auch anstrengend sein. Deshalb soll anscheinend Steve Jobs fürs Büro immer das gleiche angezogen haben und auch Mark Zuckerberg sieht man selten in etwas anderem als einem grauen T-Shirt.

Arbeiten

Manche Manager schwören darauf, am produktivsten zu sein und leidige Aufgaben wie das massenhafte Beantworten von E-Mails dann zu erledigen, wenn alle anderen noch schlafen. Arbeiten um halb fünf in der Früh kann also auch zur Morgenroutine werden. Der Sozialpsychologe Ron Friedmann vertritt die – auch unter Experten umstrittene – These, dass man drei Stunden nach der Schlafphase auf dem höchsten Niveau der Konzentration und Leistungsfähigkeit ist und diese Stunden auch entscheidend dafür sind, wie der restliche Tag verläuft. Auch wer nicht vor Sonnenaufgang aufstehen möchte, kann sich vornehmen, die ersten drei Stunden möglichst ungestört zu arbeiten.

Kleine Erfolgserlebnisse

Die Morgenroutine muss nicht zehn Stunden dauern, oft helfen schon zehn Minuten, um mit einem ersten Erfolgserlebnis in den Tag zu starten. Macht man sein Bett, ist man fit für weitere Aufgaben – so behauptet es zumindest William McRaven, ein ehemaliger Navy Seal, in seinem Buch "Make Your Bed: Little Things That Can Change Your Life … and Maybe the World". Und man kann sich nach dem Büro in ein gemachtes Bett fallen lassen.

Übrigens: Als Faustregel gilt, dass es 21 Tage dauert, bis eine Handlung zur Routine wird. Also drei Wochen durchbeißen, dann wird die Morgenroutine zum Selbstläufer. (set, 11.1.2018)