Roter Teppich für ein paar alte Argumente gegen Veränderung.

Foto: AFP / Antonin THUILLIER

Auch wenn die Crème de la Crème von Hollywood bei der Golden-Globes-Verleihung gerade erst "Ihre Zeit ist um" in Anspielung auf die neue Kampagne "Time's Up" in Richtung mächtiger, übergriffiger Männer schmetterte, zeigte sich nur wenige Stunden später: Gar nichts ist um. So groß kann eine Bewusstseinskampagne über sexualisierte Gewalt gar nicht sein – und #MeToo dürfte tatsächlich nur schwer zu toppen sein –, dass die beharrlichen Verniedlichungsversuche eine Ende haben.

In der aktuellen Ausgabe der französischen Tageszeitung "Le Monde" ist ein offener Brief von rund hundert Frauen erschienen, in dem sie sich gegen die "Denunziationskampagne" richten, die ihrer Ansicht nach seit #MeToo und #balancetonporc – wie sich französische Variante etwas derb (Verpfeif das Schwein) nennt – gegen Männer laufe.

Das ist wieder einmal eine völlige Irreführung der Debatte, und man fragt sich, ob es tatsächlich noch ungeklärte Missverständnisse gibt, oder ob es schlichtweg tief eingeübter Sexismus ist, der Frauen keine selbstbestimmte Sexualität erlaubt, geschweige denn ein Berufsleben, in dem sie nicht ihren Körper oder auch nur ein freundliches Lächeln gegen Chancen tauschen müssen.

Zigmal thematisiert

Die Einwände der Frauen, darunter Prominente wie die Schauspielerin Catherine Deneuve und die Autorin Catherine Millet, wurden in den vergangenen Monaten zigmal thematisiert. Die konkreten Probleme, die die Unterzeichnerinnen mit #MeToo oder #balancetonporc offenbar haben, könnten den vielen engagierten Menschen, die sich in den letzten Monaten den Mund über Machtstrukturen und Täter-Opfer-Umkehr fusselig geredet haben, die eine oder andere Träne der Verzweiflung in die Augen treiben.

Die Unterzeichnerinnen sehen immerhin ein, dass Vergewaltigung ein Verbrechen ist. Doch das eigentliche Problem seien die derzeitigen maßlosen Übertreibungen in vielen anderen Fällen. Wieder wird der Griff ans Knie, womöglich passiert vor mehr als vierzig Jahren, ins Feld geführt, um die offensichtlich massenhaften Gewalterfahrungen ins Lächerliche zu ziehen. Es ist tatsächlich diskussionswürdig, ab welchem Verhalten jemand in seinem Job nicht mehr tragbar ist.

Falsches Bild von Gewalt

Aber nach dieser Welle erschütternder Berichte so zu tun, als gehe es nur um Kniegrapscher oder "ungeschicktes Flirten", wie es in dem offenen Brief heißt, erfordert schon einen Batzen Ignoranz. Und es zeigt, dass noch immer ein Bild von sexualisierter Gewalt vorherrscht, das vielleicht weniger bedrohlich und kompliziert, aber schlichtweg völlig falsch ist. Es ist eine Vorstellung von sexualisierter Gewalt als einer Entität, mit scharfen Grenzen und einer feststehenden, einzig gültigen Definition. Gerade deshalb ist die Vielfalt der Berichte von Übergriffen so wichtig: Sie zeigen durch ihre Diversität, wie unterschiedlich Gewalt auftreten kann.

Ginge es nach den Unterzeichnerinnen, hätten Betroffene zu akzeptieren, dass jemand anderer definiert, wann sie sich in ihrer sexuellen Würde verletzt fühlen dürfen. Und bei allem, was unter einer Vergewaltigung ist, sollen sie sich mal bitte nicht so haben.

"Freiheit" auf Kosten von Freiheit

Schließlich gehe es um die "sexuelle Freiheit", wie es in dem Brief heißt, dafür brauche es "eine Freiheit, jemandem lästig zu werden, die für die sexuelle Freiheit unerlässlich ist". Und da brennen wieder die Augen, diesmal sind es allerdings Tränen des Mitleids. Was für eine traurige "sexuelle Freiheit". Eine, die Männern vermittelt, sie müssten Sex "beharrlich" einfordern, eine, die nur für Männer zu gelten scheint, eine Freiheit auf Kosten des Gegenübers. Eine "Freiheit", in der die Vorstellung herrscht, Frauen wollen keinen Sex, nur weil sie selbst bestimmen wollen, wie, wann – und mit wem. Was für ein erbärmliches Bild von Sexualität. (Beate Hausbichler, 10.1.2018)