Aus den knöchernen Überresten von steinzeitlichen Jägern und Sammlern lässt sich die genetische Geschichte der Bewohner Skandinaviens erschließen.
Foto: Beate Kjørslevik

Uppsala – Als am Ende der letzten Kaltzeit das Schlimmste vorüber war, blieb Skandinavien etwas länger von Eis bedeckt als der Rest Europas. Bisherige Funde belegen, dass sich erst vor knapp 12.000 Jahren Menschen im neu entstehenden Lebensraum im hohen Norden niederließen. Woher die ersten steinzeitlichen Siedler gekommen waren, haben nun schwedische Wissenschafter anhand von Genuntersuchungen herausgefunden.

Die Gruppe um Torsten Günther von der schwedischen Universität Uppsala untersuchte die über 8.000 Jahre alten Überreste von sieben Individuen, die Archäologen an der norwegischen Atlantikküste und den Ostseeinseln Gotland und Stora Karlsö entdeckt hatten. Sie hatten es dabei vor allem auf verwertbare DNA-Spuren abgesehen. Bei den Knochen eines Mannes aus dem mesolithischen Norwegen wurden sie schließlich fündig. Mehr noch: Es gelang den Wissenschaftern, aus den Proben ein Genom von außerordentlich hoher Qualität zu rekonstruieren.

Verblüffendes Ergebnis

Die so gewonnen Daten verglichen sie mit genetischen Informationen von mittelsteinzeitlichen Jägern und Sammlern aus anderen Teilen Europas. "Was uns am Ergebnis besonders verblüffte, war die große genetische Ähnlichkeit des Jägers und Sammlers von der norwegischen Westküste mit heutigen Bewohnern der Region östlich der Ostsee", sagt Günther. Die steinzeitliche Bevölkerung von Schweden dagegen schien näher mit den damaligen Zentral- und Westeuropäern verwandt zu sein, so die Forscher.

Dieser Widerspruch könnte mit einer zweiphasigen Einwanderung in Skandinavien nach dem letzten eiszeitlichen Maximum erklärt werden, schreiben die Wissenschafter im Fachjournal "PLoS Biology". Demnach könnte sich dort zunächst eine Gruppe von Menschen aus einer südlich gelegenen Region, dem heutigen Dänemark und Deutschland, niedergelassen haben. Kurz darauf sei eine Population aus dem Nordosten dazu gekommen, die sich vermutlich entlang der eisfrei werdenden Atlantikküste vorgearbeitet hatte.

Aus den DNA-Untersuchungen ergab sich als wahrscheinlichstes Szenario, dass kurz nach dem Ende der letzten Eiszeit zwei unterschiedliche Volksgruppen in Skandinavien eingewandert sind.
Grafik: Günther et al. , PLOS Biology

Genetisch diverser Norden

Diese DNA-Ergebnisse stützen bisherige Funde, die in Skandinavien auf deutlich unterscheidbare Traditionen bei der Herstellung von Steinwerkzeugen und den Ernährungsgewohnheiten hindeuteten. Die Wissenschafter nehmen an, dass die Zusammenführung zweier Volksgruppen mit verschiedenen physiologischen Eigenschaften zunächst auch die genetische Variabilität ihrer Nachkommen bereichert hat. "Das steht in Kontrast zu dem Muster, das wir heute sehen, wo der Süden Europas genetisch diverser ist als der Norden", meint Mattias Jakobsson, Koautor der Studie.

Das könnte daran liegen, dass sich die Bewohner des Nordens über die Jahrtausende an die dortigen Lebensbedingungen – sprich: lange lichtlose Winter mit tiefen Temperaturen – angepasst haben. Günther und sein Team fanden in den Gen-Daten Belege dafür, dass genetische Varianten, die mit heller Haut und hellen Augen assoziiert sind, unter den skandinavischen Jägern und Sammlern im Durchschnitt häufiger weitergegeben wurden. "Das spricht dafür, dass die Anpassung an lokale Gegebenheiten nach der Verschmelzung der beiden Einwanderergruppen geschehen ist", so Günther. (tberg, 13.1.2018)