Filmemachen kann hart sein. "Verdammt hart", sagt Zoë Wannamaker – und noch ein, zwei Dinge mehr, von denen es sich nicht schicken würde, sie abzudrucken. Seit acht Uhr früh sitzt die Schauspielerin am Set der Serie Britannia. Als stolze Kriegerin thront sie auf einem hölzernen Stuhl, um sie herum sind martialische Utensilien drapiert, Schwerter, Schilde säumen ihren Weg, Männer mit schweren Umhängen und Speeren queren die Szenerie.

Zoë Wannamaker spielt eine keltische Königin und hat am Set gelitten.
Foto: Sky Amazon

Ereignen wird sich an diesem frostigen Dezembertag, eineinhalb Autostunden östlich von Prag, nahe Cesky Brod, die Suche nach Koalitionen. Die keltische Herrscherin Antedia (Wannamaker) und ihre Erzrivalin Kerra (Kelly Reilly) müssen sich aufgrund einer Zwangssituation verbünden. Wir befinden uns im Jahr 43 nach Christus. Die Römer sind in Britannien gelandet und drängen auf Eroberung. Mit welchen inneren und äußeren Widerständen sie zu rechnen haben, zeigt Britannia ab 18. Jänner in Großbritannien und ab 23. Februar hierzulande auf Sky Atlantic HD in zunächst neun Folgen.

Es geht um einiges: Nachdem HBO die nächste Staffel von Game of Thrones erst vor kurzem auf 2019 nach hinten verschoben hat, scheint die Zeit günstig, Fans von Fantasyabenteuerserien mit Ersatz beglücken zu können. Unter Einsatz von jeder Menge Filmblut, echtem Schweiß und wirklicher Tränen soll hier und jetzt ein würdiger Nachfolger entstehen.

Zwischen den Kriegen wird verhandelt.
Foto: Sky UK

Wannamaker lächelt tapfer. In Drehpausen werfen ihr Assistenten schwere Decken über. Die Zähne klappern trotzdem. Der härteste Dreh ihres Lebens, sagt die 68-Jährige: "Das Kostüm war bequem, bis zu dem Zeitpunkt, als ich ausgestopft wurde, wie ein Schwein." Für ihre Kriegsbemalung sitzt sie zwei Stunden in der Maske. Seit vier Uhr früh ist sie auf. Während sie erzählt, streichelt sie die Wärmeflaschen, die sie auf Bauch und Oberschenkeln liegen hat.

Christoph Schrewe (sitzend) führte Regie bei den letzten beiden Folgen – mit großen Schlachtszenen.
Foto: Sky / Amazon

"Es dauert zehn Minuten, bis ich den Kaftan los bin", schimpft sie. Und weitere zehn Minuten, bis er wieder sitzt – zu lange für kurze Drehpausen. "Folglich habe ich das Trinken eingestellt", erzählt sie von peinigenden Konsequenzen.

Gekreuzigt und geköpft

Wannamaker hat Glück, denn sie darf im Trockenen bleiben. Anders als David Morrissey vor drei Tagen. Da musste der Schauspieler (The Walking Dead) für seine Rolle des Feldherrn Aulus Plautius in den Fluss, der knapp vor dem Zufrieren ist. Fünf Minuten zwar nur, aber das reichte. Sind denn nicht schon alle krank? "Wenn nicht, dann werden sie es", sagt der Setchauffeur. Er zittert.

David Morissey spielt den römischen Feldherrn Aulus Plautius.
Foto: Sky UK

Alte Zeiten, wilde Krieger, stolze Frauen, Sex, Sandalen, Köpferollen – mit dem Rezept versuchen Sky und Amazon ihr Glück im begehrten Seriengeschäft. Über die Kosten halten sich die Produzenten bedeckt, aber schon der Set macht deutlich, dass hier kein Aufwand gescheut wird. Eine Folge Game of Thrones kostet angeblich 13 Millionen Dollar. Die Schere zwischen den Mühen der Ebene in der Entstehung und der glanzvollen Abenteuerserie am Ende könnte größer nicht sein.

Trailer zur ersten Staffel von "Britannia".
Sky Atlantic

"Star Wars im Jahr 43 nach Christus", definiert der Produzent Rick McCullen Britannia. Vergleiche mit Game of Thrones lehnt er ab, historische Genauigkeit spielt ebenso wenig eine Rolle. Neben einigen belegten Figuren tummelt sich nach der Idee von Jez Butterworth jede Menge frei erfundenes Volk, darunter kunstvoll entstellte Fabelfiguren und Miraculix-hafte Druiden. "Wir bringen eine sehr magische und dunkle Welt zurück", sagt Christoph Schrewe. Er führte bei den zwei letzten Folgen Regie. Entdeckt wurde er von McCullen nach Regiearbeiten bei Tom Fontanas Borgia und Kampfszenen von Versailles. Schrewe ist der Mann fürs Große.

Setaufbau nahe der Biegung des Flusses.
Foto: Sky UK

Mittagspause am Set. Schauspieler und Crew drängen sich ins geheizte Zelt, trinken Tee oder Kaffee, wählen vom Buffet zwischen flüssigem Erdäpfelpüree, Fertigbeef, in Fett schwimmenden Spaghetti, Reis und Eintopf. Fisch ist leider aus.

Campen und kämpfen

Stanley Weber scheint das alles nichts anzuhaben. Er spielt Lindon, Vertrauter der Kriegerkönigin Kerra und für den romantischen Part zuständig. Er habe alle Stunts selbst gemacht, erzählt er, sei mehr als 15-mal auf ein galoppierendes Pferd gesprungen: "Gar nicht schwer, es war kein großes Pferd." Er sieht bei Britannia Brücken zur Gegenwart, "mit all der Verrücktheit in dieser Zeit". Die Skripts bekommen die Schauspieler stückweise, so dass sie am Anfang des Drehs nicht wussten, wie es später weiterging.

Nikolaj Lie Kaas kuschelt mit Moos.
Foto: Sky UK

Mehr als ein halbes Jahr wurde hier gedreht. Mit Steuervergünstigungen hat sich Tschechien als Filmland einen Ruf erarbeitet. Es gebe "fantastische Reenactment-Darsteller", schwärmt Schrewe. Gut 130 Millionen Euro spielt Tschechien über Auslandsproduktionen ein. Bei einem Rabatt von 20 Prozent und einer Ausstattung, die Hollywood-Standards entspricht, greifen Filmfirmen aus aller Welt gerne zu.

Kelly Reilly spielt die keltische Königin Kerra am Kriegspfad.
Foto: Sky UK

Das erlaubt den großzügigen Nachbau eines keltischen Dorfs. Auf dem Gelände ist alles aufgebaut, was es braucht: Zelte, Wildschweine brutzeln auf dem Feuer, Schweine grunzen, Schafe blöken, Hühner gackern in Ställen. Bronzegefäße, Holzgestelle, zerrissene Fahnen flattern im Wind, an manchen Holzpfählen stecken Plastikköpfe, Pferde schnauben weiße Luft, es soll wild aussehen. Einige Kilometer weiter wurde Stonehenge nachgebaut.

Mackenzie Crook ist Veran aus dem Zwischenreich.
Foto: Sky UK

Plötzlich brummt es von oben, alle blicken zum Himmel und staunen: eine Drohne, das ist noch immer etwas Besonderes. Die fliegende Riesenwespe setzt sicher auf dem Boden auf. Am Ende werde hier alles niedergebrannt, sagt Morrissey lachend. Verschont bleibt hoffentlich der riesige Greenscreen am Eingang zum Filmdorf, der dafür sorgt, dass nach der Computerbearbeitung am Ende der Set doppelt so groß wirkt und hunderte von Zelten zählt – nicht nur die Handvoll, die aufgebaut ist.

Film ist "der beste Job der Welt".
Foto: Sky / Amazon

"Alle glauben, Film ist Glanz und Glamour. Meinen Freunden sage ich, die meiste Zeit verbringe ich in Zelten und esse von Papptellern mit Plastikbesteck", sagt die Produktionsassistentin Allie Elwell. Trotzdem sei es "der beste Job der Welt".

"Okay, wir drehen noch mal", ruft Schrewe, "Action!" Kamera läuft, Wannamaker stellt das Zähneklappern ein und zischt: "Ich bin die Königin der Luder!" (Doris Priesching, 12.1.2018)