Sei es die Frustration über endlose Sitzungen oder das Problem, dass Facebook einfach interessanter ist als aktuelle Aufgaben – Chaz Hutton skizziert die Probleme und Problemchen des Arbeitsalltags auf gelben Post-its. Auf Instagram hat der Australier mittlerweile rund 170.000 Abonnenten. Eine Sammlung seiner Cartoons ist im Dumont-Verlag auf Deutsch unter dem Titel "Selbstklebende Wahrheiten" erschienen. Hutton – der zuvor als Architekt gearbeitet hat – hat sich mittlerweile selbstständig gemacht und zeichnet Cartoons, Comics oder Illustrationen. "Um die Rechnungen zu bezahlen", nehme er manchmal auch Aufträge von Werbefirmen an, sagt Hutton.

Dumont/Chaz Hutton

STANDARD: Ein immer wieder kehrendes Schlagwort ist derzeit das so genannte "Passion Principle": Muss Arbeit wirklich immer Spaß machen?

Hutton: Es ist auf jeden Fall ein nettes Ideal und anstrebenswert. Aber unrealistisch. Denn sobald eine Aktivität zur Pflicht wird und es eine Deadline dafür gibt, genießt man sie automatisch weniger. Ein gutes Beispiel sind Cartoons: es macht unglaublich viel Spaß, ein paar in seiner Freizeit zu zeichnen – drei pro Tag, wenn der Termin der Veröffentlichung näher rückt, fühlt sich an wie Arbeit.

Außerdem ist die Sichtweise, dass der Beruf einen immer erfüllen muss, eine sehr privilegierte. Es ist auch völlig legitim, wenn man seine Arbeit nicht mag. Es ist legitim, wenn man einen Job macht, um seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen – und sich Dingen, die einem mehr Spaß machen, in seiner Freizeit widmet.

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STANDARD: In einigen deiner Zeichnungen geht es um den Montagmorgen. Warum ist der typischerweise so verhasst?

Hutton: Wenn ich das erkläre, riskiere ich, den Scherz kaputt zu machen. Aber na gut: Der Montag-Morgen-Blues ist eine Art universelles Gefühl, indem ich Späße darüber mache, erreiche ich ein breites Publikum. Mich selbst stören, um ehrlich zu sein, Montage gar nicht so sehr. Der schlimmste Tag für mich ist der Mittwoch. Denn zu diesem Zeitpunkt ist man wieder voll von der Arbeit eingenommen. Am Montag ist es in den meisten Firmen okay,es erstmal langsamer anzugehen – die ersten zwei Stunden des Tages beispielsweise damit zu verbringen, Kollegen mit Fragen zu ihrem Wochenende zu nerven.

Foto: Dumont/Chaz Hutton

STANDARD: "Why work doesn't happen at work" (Warum Arbeit nicht bei der Arbeit stattfindet) ist der Titel eines bekannten TED-Talks vom Unternehmer Jason Fried. Würdest du zustimmen: Passiert die wahre Arbeit außerhalb der Bürowände?

Hutton: Schwierige Frage. Ich glaube nicht, dass in Meetings viele gute Ideen entstehen – aber auch nicht, dass viele gute Ideen ohne Zusammenarbeit entstünden. Manchmal braucht es einfach eine Gruppe an Leuten, die miteinander nachdenken, denn ihnen fallen Dinge ein, auf die ein Einzelner nie kommen würde. Zum Brainstorming müssen natürlich alle an einem Ort sein. Aber ich stimme zu: diese Meetings, in denen man Dinge durchgeht, die schon in einem E-Mail standen und sich darauf einigt, alle anderen Fragen in einem nächsten Meeting anzusprechen, die sind absolut unnötig.

Foto: Dumont/Chaz Hutton

STANDARD: Warum verflüchtigt sich Idealismus bei der Arbeit oft mit der Dauer der Karriere?

Hutton: Ich glaube, das liegt in der Natur des Menschen. Alles was man länger tut, wird mit der Zeit uninteressant. Schade, denn ich denke, dass intrinsische Motivation der Schlüssel für Zufriedenheit im Job ist. Macht man Arbeit für jemand anderen, ist Geld der einzige Antrieb. Macht man sie für sich selbst, erschafft man etwas, hinter dem man steht, dann ist das ein Extra-Drive.

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STANDARD: Soziale Medien sind beliebte Quellen für Ablenkung. Können sie nicht auch Inspiration bieten?

Hutton: Und wie! Richtig eingesetzt sind sie wie ein riesiges Künstlerstudio, wo alle zusammenarbeiten, Ideen miteinander teilen, etc. Ich habe über Soziale Medien bereits Unterhaltungen geführt, aus denen kurze Stand-up-Stücke wurden, Comics oder Kurzgeschichten. Also ja, Soziale Medien sind unglaublich hilfreich im kreativen Prozess – ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass das ihr eigentlicher Sinn ist.

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STANDARD: Und was ist dein ganz persönlicher Kreativitäts-Boost?

Hutton: Früh aufzustehen. Sich um fünf oder sechs Uhr morgens einen Kaffee zu machen und verschlafen in seinen Laptop zu starren, ist eine hervorragende Strategie, um das, was man gerade tut, bedeutender erscheinen zu lassen. Außerdem: Es ist in der Früh noch nicht so viel los. Weder auf den Straßen, noch im Internet. Das bedeutet, es gibt kaum Ablenkungen. In solchen stillen Momenten kommen einem oft die besten Ideen. (Lisa Breit, 22.1.2018)

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