Andrej Babiš schafft es nicht, eine mehrheitsfähige Regierung in Tschechien zustande zu bringen. Er ging mit knapp über 30 Prozent bei den letzten Parlamentswahlen als klarer Sieger hervor. Der Multimillionär und Unternehmer hat in seinem Wahlprogramm eine Neuaufstellung des politischen Systems in Tschechien in den Fokus gestellt. Auch er punktete mit einer Antiflüchtlingshaltung – sowie alle politischen Vertreter der Visegrád-Staaten. Er ist seit 2014 Mitglied der ALDE-Fraktion im Parlament, und ich wurde oft in den letzten Monaten gefragt, ob Babiš wirklich ein liberaler Politiker ist.

Die Antwort ist nicht eindeutig und leicht. Wir dürfen nicht den Fehler machen, Politiker wie Babiš mit unseren "westeuropäischen" Maßstäben zu messen. Tschechien hat nicht einmal vor 30 Jahren das Regime des Kommunismus abgeschüttelt, als eigener souveräner Staat ist es gerade 25 Jahre alt. Die politische Entwicklung und Sensibilisierung für die liberale Demokratie befindet sich in einem ganz anderen Stadium als in westlichen Ländern mit liberaler Tradition. Wir Neos wissen, wie schwer es ist, liberale Politik durchzusetzen und den Boden dafür aufzubereiten – auch Österreich ist kein Hort traditioneller liberaler Politik.

Meinungsfreiheit

Andrej Babiš ist allerdings im Gegensatz zu Viktor Orbán ein Proeuropäer, tritt für Meinungsfreiheit und Bürgerrechte ein, möchte das politische System zugunsten mehr Partizipation verändern. Er ist kein Nationalist, sondern sieht sich als Teil einer großen europäischen Familie. Wie alle osteuropäischen Staaten wehrt allerdings auch er sich gegen die Flüchtlingsquote der EU und lehnt Zuwanderung ab.

Ich stehe in meiner Funktion als Vizepräsidentin der ALDE (Europäische Liberale im EU-Parlament) stetig im Austausch mit den osteuropäischen Kollegen und versuche ihnen die liberal-demokratischen Positionen näherzubringen.

Ich selbst bin sehr kritisch gegenüber Babiš als Unternehmer, der in die Politik gegangen ist. Machtkumulation und Vetternwirtschaft à la Berlusconi in den 1990ern in Italien darf es nicht sein. Da werden wir Liberale immer sehr wachsam sein.

Das Beispiel Babiš zeigt aber auch auf, dass die Ideologie in der politischen EU immer weniger im Vordergrund steht, daher wird die klassische Fraktionszuordnung immer komplizierter. Innerhalb der ALDE findet man national unterschiedliche Positionen zu Themen (Nord-Süd-, aber auch Ost-West-Division in der Finanz-, Sozial- und Asylpolitik). Es wird daher eine zentrale Herausforderung der nächsten Jahre, hier liberal-demokratische Prinzipien nicht aufzugeben. (Angelika Mlinar, 11.1.2018)