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Nebel in Berlin: Der neu gewählte Bundestag ist nach der Wahl vom 24. September längst einsatzbereit. Doch es fehlt den Deutschen noch eine Bundesregierung.

Foto: AP / Kay Nietfeld

Die Unterhändler von SPD und Union haben die Nacht hindurch um ein tragfähiges Ergebnis der Sondierungsgespräche gerungen, auch Freitag früh war noch keine Einigung in Sicht. Am Donnerstag signalisierte die Wortwahl noch einen gewissen Gleichklang. Von "dicken Brocken", die noch zu erledigen seien, sprach SPD-Chef Martin Schulz, als er am Donnerstag die SPD-Zentrale betrat. Kanzlerin Angela Merkel wählte den Ausdruck "große Bretter". CSU-Chef Horst Seehofer hingegen sagte gar nichts, was für ihn äußerst ungewöhnlich ist.

Vielleicht wollte er ein Signal für die Ernsthaftigkeit der Lage geben. Denn am fünften Tag wollten CDU, CSU und SPD am Donnerstag die Sondierungsgespräche abschließen. Anders als im Herbst bei den Jamaika-Sondierungen fühlten alle Beteiligten den Zeitdruck im Nacken.

Deutschland ist jetzt mehr als drei Monate ohne neue Regierung. Noch nie dauerten Sondierungen so lange wie nach der Bundestagswahl am 24. September. Offiziell hatten sich die Verhandler für die GroKo Stillschweigen auferlegt. Das permanente Durchstechen während der Jamaika-Sondierungen über ein mögliches Bündnis aus Union, FDP und Grünen war vielen noch in schlechter Erinnerung, allen voran der Kanzlerin.

Keine vier Jahre mehr

Sie hat ja seit der Bundestagswahl vor allem eines vermitteln wollen: dass sie Deutschland gerne weiter dienen wolle. Doch die meisten Deutschen sehen sie bereits angezählt. Laut einer Infratest-dimap-Umfrage für das "Handelsblatt" gehen 56 Prozent der Deutschen nicht mehr davon aus, dass Merkel – im Falle einer Wahl zur Kanzlerin durch den Bundestag – die volle Legislaturperiode bis zum Jahr 2021 durchhält.

Favoriten für ihre Nachfolge sind Innenminister Thomas de Maizière (37 Prozent), Kanzleramtschef Peter Altmaier (31 Prozent), Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (28 Prozent) und Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (24 Prozent).

Diese hatte am Donnerstag auf dem Weg zur letzten Sondierungsrunde kurz vor Berlin einen Autounfall und wurde leicht verletzt in ein Potsdamer Krankenhaus gebracht. Einer der Teilnehmer, Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), wagte dann für den Ausgang der Sondierungen doch einen hoffnungsfrohen Ausblick: "Wir sind optimistisch, und wir kriegen das, denke ich, heute hin."

Dauerthema Familiennachzug

Allerdings lagen zum Schluss noch die dicken Brocken auf dem Tisch – etwa der Streit in der Asylpolitik. Vor allem die CSU bremste beim Familiennachzug und drängte auf Untersuchungen zur Altersfeststellung bei minderjährigen Flüchtlingen. Die SPD vertrat dabei konträre Positionen. Zwar sind sich Union und SPD auch einig, dass Europa wieder zentrales Thema der deutschen Politik werden solle. Doch die Ideen des SPD-Chefs für Vereinigte Staaten von Europa bis zum Jahr 2025 gehen Merkel zu weit. Sie hatte auch mehrmals erklärt, dass sie die von der SPD geforderten Belastungen für Reiche und eine Bürgerversicherung ablehnt.

Gänzlich friktionsfrei verliefen die Sondierungen ohnehin nicht. Vor allem in der SPD, aber auch in der Union herrschte zwischenzeitlich Ärger über CDU-Vize Armin Laschet. Der hatte vor Abschluss der Gespräche schon erklärt, dass es eine Einigung in der Klimapolitik gebe. In einem Papier war die Rede davon, dass Deutschland sein Ziel, den CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, aufgebe. (Birgit Baumann aus Berlin, 11.1.2018)