Wien/Wolfsburg – Zuletzt ist es im Abgasskandal um VW ruhiger geworden. Der Konzern hat 2017 mehr Autos abgesetzt als vor Bekanntwerden der Schummelsoftware, die im Test einen geringeren Schadstoffausstoß vortäuscht. Im Hintergrund laufen aber noch zahlreiche Prozesse von VW-Besitzern, die Schadenersatz fordern. In einem davon wurde ein neues Gutachten vorgelegt, das die Wirkung der betrügerischen Software belegen soll.

Vor dem Landesgericht Linz wurde Anfang Jänner ein Gutachten des Sachverständigen Werner Tober vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik besprochen. Tober hatte den Auftrag zu klären, was passiert, wenn am Prüfstand nicht im speziellen Saubermodus für Prüfungen sondern im "Schmutzmodus" wie im normalen Straßenverkehr gefahren wird, sagte Anwalt Michael Poduschka im Gespräch mit der APA. Die Prüfung sei schwierig gewesen, weil VW den Quellcode der Software nicht bekanntgibt.

Sprunghafter Anstieg

Tober konnte nachweisen, dass der Ausstoß von Stickoxiden (NOx) am Prüfstand sprunghaft steigt, wenn sich die Geschwindigkeit des Fahrzeuges um mehr als drei Prozent vom vorgeschriebenen Wert entfernt – egal ob das Fahrzeug schneller oder langsamer wird. Während der Stickoxidausstoß bei einem Tempo knapp um den vorgeschriebenen Testwert geringfügig schwankte, stieg er dann plötzlich auf das Zweieinhalbfache.

Tober überlasse dem Gericht zwar die endgültige Würdigung der Messergebnisse, meint aber, es gebe keine vernünftige Erklärung für das sprunghafte Ansteigen des NOx-Ausstoßes bei so kleinen Laständerungen, außer der Betrugssoftware, sagt Poduschka.

Diese Ansicht sei im Verfahren vor dem Landesgericht Linz von einem weiteren Sachverständigen, Wolfgang Haslinger, bekräftigt worden. Haslinger habe in der mündlichen Verhandlung zur Interpretation der Messungen ebenfalls keinen anderen Grund für diese Ergebnisse gesehen, als dass die Betrugssoftware ausgetrickst wurde.

Neue Haftungsgrundlagen

Die gesetzlichen Grenzwerte seien in den Messungen von Tober um das 2,1- bis 2,5-fache überschritten worden. Haslinger gehe davon aus, dass die Fahrzeuge, wenn sie ohne Schummelsoftware geprüft worden wären, keine Typengenehmigung erhalten hätten, sagt Poduschka und schließt daraus: "Ohne Typengenehmigung ist auch keine Zulassung möglich, die europaweit 8,4 Millionen betroffenen Fahrzeuge wären faktisch unverkäuflich gewesen."

Aus seiner Sicht wurde mit dem Gutachten nun erstmals bewiesen, dass die Betrugssoftware dazu gedient habe "vorzugaukeln, dass die NOx-Werte eingehalten werden". Das schaffe nicht nur für laufende Zivilverfahren neue Haftungsgrundlagen, sondern "dürfte meines Erachtens auch eine belastbare Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung der Verantwortlichen (inklusive der Volkswagen AG) schaffen".

Tober hat seine Berechnungen im September 2017 angestellt und die Ergebnisse Ende Dezember 2017 den Parteien zugestellt. Eigentlich war es für einen anderen Fall vorgesehen, wo es aber wohl erst im März zur Sprache kommen wird. Die zuständige Richterin eines parallel geführten Verfahrens hat es für ihre Verhandlung am 8. Jänner am Landesgericht Linz beigeschafft. In beiden Fällen ist Poduschka Anwalt der Kläger. (APA, 12.1.2018)