Johann Fauster (li.) und Johann Koller von Austrovinyl. Seit einigen Monaten werden in Österreich wieder Schallplatten gepresst. Die Nachfrage steigt seit Jahren weltweit.

Foto: Christian Fischer

Viel haben die beiden Städte nicht gemeinsam. Detroit hat über 600.000 Einwohner, Fehring nach der Zusammenlegung mit mehreren Nachbargemeinden 7300. Detroit war die Schmiede der US-Autoindustrie, Fehring nicht, in Detroit entstanden Motown-Soul und Techno, in Fehring ... ist es auch schön, schließlich liegt es in der Südoststeiermark. Dennoch zog Fehring im Vorjahr in einem Bereich mit Detroit gleich.

Im Februar 2017 eröffnete der Musiker und Labelbetreiber Jack White in Detroit mit dem Third Man Pressing Plant ein Schallplattenpresswerk, das erste der USA seit 35 Jahren. In Fehring taten Peter Wendler, Johann Fauster und Johann Koller dasselbe. Ihr Presswerk heißt Austrovinyl. Gut, Jack White wurde mit den White Stripes und anderen Bands ein Weltstar, darum ist sein Werk größer ausgefallen, doch Motivation und Ansatz sind da wie dort ähnlich: Third Man Records und Austrovinyl glauben an das Medium Schallplatte. Dazu haben sie guten Grund.

Revival in voller Fahrt

Der Absatz von Schallplatten in Österreich war laut Marktbericht des Verbandes der österreichischen Musikwirtschaft 2016 so hoch wie zuletzt 1993. Das bedeutete über 300.000 verkaufte Platten bei 7,1 Millionen Euro Umsatz. Das sind gut zehn Prozent aller in Österreich verkauften physischen Tonträger. Dazu ist die Schallplatte das einzige physische Medium mit einem Zuwachs: und zwar 25 Prozent. Die Renaissance des Vinyls steht in voller Blüte.

Ein früher Versuch in Gelb.

Das alles registrierte der Maschinenbauer Peter Wendler ganz genau. Sein Heimatort liegt in der steirischen Thermenregion. Hübscher Ortskern, Kirche, Wirtshäuser. Der Apotheker ist zugleich der Bürgermeister, auf der Straße grüßt jeder jeden. 150 Meter vom Hauptplatz entfernt steht ein einstöckiges Haus mit neuen Dachziegeln, am Zaun an der Einfahrt hängt ein Banner mit dem Logo von Austrovinyl.

Das Erbe der Mitzi-Tant'

Das Haus gehört Peter Wendler. 300 Jahre alt ist es, ein Bau mit Geschichte. Eine Comtesse hat dort einst residiert, später die Polizei, dann hat es die Mitzi-Tant' bewohnt. Sie hat es Wendler vermacht. Der ist 46 und ein Vinyl-Freak, deshalb heißt der jüngste Eintrag in der Geschichte des Hauses Austrovinyl. Es ist das erste Werk, das in Österreich Platten presst, seit die Viennola im Wiener Speckgürtel 1997 die Plattenproduktion eingestellt und 2002 den Strom ganz abgedreht hat. Die Platte galt damals als aussterbende Art.

"Ich bin dabei!"

Wendler, der Musiklehrer Fauster (40) sowie der fürs Marketing zuständige Landwirt Koller (50) haben alle ihre eigene Affinität zu Vinyl. Als DJ wunderte sich Wendler schon lange, warum Platten oft erst Monate nach der CD in den Handel kamen. Als Fauster vor zwei Jahren ein Album seiner Band Soko Dixie auf Platte pressen ließ, kam es, wie es kam. "Die Testpressung habe ich mir mit Peter angehört. Da hat er die ganze Zeit komisch herumgedruckst – und dann plötzlich einen halbfertigen Businessplan auf den Tisch gelegt: Zum Schallplattenpressen." Fauster sagte: "Ich bin dabei." Das war im Sommer 2016.

Crashkurs für die Besucher.

Auf den Willen folgte ein steiniger Weg. Denn es gab keine Maschinen am Markt, die Technologie war bis auf wenige Ausnahmen verschwunden. Fauster: "Dann haben wir erfahren, dass Kanada eine Maschine baut, in Italien wurde es versucht, das Projekt scheiterte aber. Dann haben wir den Tipp gekriegt, dass die Schweden wieder anfangen." Nach zwei Besuchen im hohen Norden war das Ding gekauft. Aber außer ein paar Tipps von den dortigen Ingenieuren gab es keine Anleitungen. "Es war richtige Pionierarbeit."

Das erste Mal

Im Juli vergangenen Jahres war die Maschine aufgestellt, im September presste sie das erste Album: Rejazzed von Deladap. Das war rekordverdächtig, prognostizierte man den dreien doch, dass es bis zu ein Jahr dauern könnte, bis sie etwas Brauchbares ausliefern würden. Heute ist das Erdgeschoß eine propere Produktionsstätte, im ersten Stock wird besprochen, und die Platten werden im ersten Test angehört.

25 Sekunden dauert eine Pressung

Im Erdgeschoß gibt es einen Maschinenraum und einen, in dem mit 200 Bar Druck Musik in 185 Grad heißes Vinyl gepresst wird. An der Wand hängt eine komplett verbogene gelbe Platte. Ein früher Versuch und gleichzeitig eine Erinnerung an die beständig notwendige Qualitätskontrolle, denn Plattenpressen funktioniert nicht vollautomatisch. Im nächsten Raum wird Rohmaterial gelagert, einer weiter wird eingepackt und verschweißt. 25 Sekunden dauert das Pressen einer Platte, ungefähr zehnmal greift Fauster ein Album an, bis es fertig ist. 500 Stück kosten circa 1700 Euro – der Preis variiert je nach gewünschter Ausführung.

So schaut sie aus, die Vinylpresse.

Gepresst wird mit italienischem Granulat. Es ist dasselbe, mit dem seit den 1960er-Jahren alle Italo-Hits gepresst wurden. Es stammt von einem Familienbetrieb, keinem Chemiekonzern. Solche Dinge sind Fauster wichtig. Austrovinyl ist nicht bloß eine Geschäftsidee, es ist eine Leidenschaft. "Unser Ansatz ist es, für die kleinen und mittleren Labels da zu sein, weil die bei den großen Presswerken oft durchfallen. Mit einer einzigen Presse könnte man auch keine großen Aufträge von Majors abwickeln. Das würden wir gar nicht schaffen, das ist gar nicht unser Ding." Jack Whites Werk in Detroit ist ideologisch ähnlich orientiert.

Regionalisierung

Dementsprechend sind die ersten Auftraggeber bei Austrovinyl Bands und Labels, die ihre Kunst in Vinyl gepresst haben wollen, ohne monatelang darauf warten zu müssen. Das taugt Koller: "Wir sind eine Handwerksregion, in der das Thema Regionalität stark verankert ist. Da sollte es lässig sein, dass man als österreichischer Künstler bei einem heimischen Presswerk pressen lässt."

Aus diesen "Kuchen" wird einmal eine Platte.

Für den Musikverleger Hannes Tschürtz von Ink Music hat diese Haltung viele Vorteile. "Bisher pressten wir in Tschechien oder Frankreich. Da ist man mit kleineren Auflagen nur der Kunde XY. Oft kamen dann aus banalen Gründen lange Wartezeiten dazu, bevor man ein fertiges Produkt in Händen hielt. Und das war von der Qualität her nicht immer das, was man erhofft hatte."

Mit Austrovinyl hat er bisher beste Erfahrungen gemacht, und als die Band Farewell Dear Ghost dringend ein paar Hundert Platten brauchte, ging das innerhalb von sieben Tagen.

Monopol in Tschechien

In Lodenice hätte das so nicht funktioniert. Lodenice liegt in der Nähe von Prag. Die dort ansässige Firma GZ Media besitzt so etwas wie das Vinylmonopol Europas. Die 1952 gegründete Firma presste in den 1990ern gerade noch 400.000 Alben pro Jahr, heute ist sie mit über 20 Millionen Marktführer, Tendenz steigend. Doch hohe Auftragszahlen können auf Kosten der Qualität gehen. Eine Druckmatrize soll nach spätestens 500 Exemplaren hörbar an Qualität verlieren, oft werden damit aber weit höhere Kontingente gepresst. Eine weitere Chance für Austrovinyl.

Kultureller Fußabdruck

Der Betrieb ist gut ausgelastet, hat aber noch Leerläufe, auf ein, zwei Maschinen wartet man noch. Ziel ist es, einmal zwei, drei fixe Jobs für die Region zu schaffen und in zwei Schichten zu produzieren, die Investitionen reinzubringen. Das ist der pragmatische Teil. Daneben gibt es aber noch so etwas wie den visionären.

Immerhin hinterlässt Austrovinyl mit seinen Produkten ja einen kulturellen Fußabdruck und schreibt an der Musikgeschichte des Landes auf seine Art mit. Johann Koller: "Wenn wir in zehn Jahren zurückschauen und sagen können, dass wir da etwas mitbewegt haben, wäre das natürlich schon sehr lässig." (Karl Fluch, 14.1.2018)