Oppositionsarbeit macht derzeit die Regierung. Zuletzt ein viral gewordenes Video vom FPÖ-Wahlkampfauftakt mit Strache in Tirol, der mit einer Trommlergruppe in faschistischer Ästhetik einmarschiert. So regiert man nicht.

Die SPÖ als größte Oppositionspartei ist dagegen in der Selbstfindungsphase. Inzwischen nähert sich der Tag, an dem für sie eine eminent wichtige Entscheidung fällt: Wer wird Wiener Parteivorsitzender und in der Folge Bürgermeister? Zur Wahl auf dem Parteitag stellen sich der Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und der geschäftsführende Chef des SPÖ-Klubs im Parlament, Andreas Schieder. Ein Überraschungskandidat in letzter Minute ist unwahrscheinlich.

Der Neue muss Wien halten. Türkis-Blau auch in Wien ist immer noch sehr unwahrscheinlich, aber die Mutter aller Themen, die "Ausländerfrage", geht nicht weg. Die offizielle Wiener Statistik sagt dazu: "Jede zweite Wienerin beziehungsweise jeder zweite Wiener hat Migrationshintergrund, wurde also selbst im Ausland geboren oder hat mindestens einen im Ausland geborenen Elternteil" (laut Bundes-Statistik-Austria sind es nur 43 Prozent, weil in deren Definition beide Elternteile im Ausland geboren sein müssen). Anzumerken ist, dass "Migrationshintergrund" in der Mehrzahl "aus Europa" oder gar "aus Deutschland" bedeutet. Im Vordergrund steht aber die muslimische Migrationsbevölkerung. Sie macht derzeit elf Prozent aus.

Wie stellen sich nun die beiden Kandidaten zu dieser Thematik? Nicht sehr detailliert, wenn man nach ihren bisherigen Äußerungen geht. Michael Ludwig, der aus dem "Flächenbezirk" Floridsdorf kommt, wo die FPÖ gerade wegen der "Ausländerthematik" große Erfolge erzielte, lässt im Gespräch aber deutlich erkennen, dass er der Problematik höchsten Stellenwert beimisst. Der Politologe und Historiker Ludwig ist nicht "ausländerfeindlich", macht sich aber seine Gedanken über das Aufeinanderprallen von Kulturen. Als Wohnbaustadtrat hat er im Kampfgebiet Gemeindebau eine konkludente Maßnahme gesetzt: Je länger man in Wien hauptgemeldet ist, desto weiter rückt man auf der Warteliste für eine Wohnung nach oben. Zum ganzen Riesenkomplex der Integration fehlt aber noch ein umfassender Plan, zumindest ein öffentlich bekannter.

Ähnlich ist es mit Andreas Schieder. Der studierte Volkswirt und exzellente Parlamentarier ist ein gemäßigter "Linker", so wie Ludwig ein gemäßigter "Rechter" ist. Im Kurier hat er einen detaillierten "Plan für Wien" aufgelistet, der ziemlich interessant klingt, weil er Schlüsselthemen wie eine "Reindustrialisierung" Wiens (mit Wissensindustrie) bis hin zu einer "Rettung der Wirts- und Kaffeehäuser" vor schikanöser Bürokratie anspricht. Thema Integration: Fehlanzeige.

Ludwig wie Schieder sind von der intellektuellen Kapazität her zweifellos Bürgermeistermaterial. Wer besser die Wahlen gewinnen könnte, ist die Frage. Aber man kann von ihnen erwarten, dass sie noch vor dem Parteitag – der nichtöffentlich stattfindet – ihre Vorstellungen zum Thema Nr. 1 dieser Stadt der Öffentlichkeit darlegen. (Hans Rauscher, 12.1.2018)