Anfang Dezember wurde am Hauser Kaibling eine Après-Skihütte um 5,5 Millionen Euro eröffnet. Bis zu 1.500 Gäste finden in der "Almarena" auf drei Etagen Platz, die Kuppel über der Bar kann bei Schönwetter geöffnet werden.

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Einen Skiberg weiter, im Zielbereich der Planai, steht die Hohenhaus Tenne Schladming. Sie gilt als größte Après-Skihütte Europas.

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Noch scheint die müde Wintersonne, als die Kuppel über Österreichs jüngstem Après-Ski -Tempel wie in einem Planetarium geöffnet wird. Kräftige Lautsprecher schicken "Ich bin viel schöner" von der Linzer Sängerin Antonia aus Tirol in den Himmel über der Steiermark. Eine Säule, die aussieht wie ein kahler Weihnachtsbaum, der erst zu Mariä Lichtmess entsorgt wird, ragt durch das offene Dach. Obenauf ein fünf Meter großer Schneekristall aus Plastik, der nicht leise rieseln würde, fiele er zu Boden.

5,5 Millionen Euro hat die Errichtung der Almarena, eines 1.000 Quadratmeter großen, dreistöckigen Gastrokomplexes in Haus im Ennstal gekostet. Im Dezember 2017 hat ihn das Skigebiet eröffnet, um bis zu 1.500 Gäste am Ende eines Skitages zu bespaßen. An der Bar mit der Schneekris tallsäule sitzen Jakub und Matej, zwei tschechische Gäste Mitte dreißig, und arbeiten eine typische Après-Ski-Menüfolge ab: Aufs gewöhnliche Nussschnapserl folgt ein Flying Hirsch (Jägermeister mit Energydrink), folgt ein Gschpusi (beliebter Alkopop), folgen ein paar Bier.

Die Beiden gehören nicht zu jener Sorte Leute, die über steigende Skipasspreise lamentieren. Sie geben die 50 Euro, die eine Tageskarte für den Hauser Kaibling kostet, einfach so beim Après-Ski aus. "Ich fahre gar nicht Ski, aber das hier gefällt mir", sagt Matej, der so wie Jakub samt Familie zum Winterwandern in die Region gekommen ist. Ist das die perfekte Klientel der Zukunft? Vermutlich werden bald noch weniger Menschen – aus Desinteresse oder Schneemangel – Ski fahren.

Völlig unabhängig vom Klima

Österreichs Seilbahnen investierten zur Wintersaison 2017/18 insgesamt 582 Millionen Euro in neue Angebote. Beinahe die Hälfte davon (281 Millionen) fließt schon in den Bereich "Sonstiges", worunter auch Après-Ski fällt. So können Skigebiete auch an Gästen verdienen, die beim Après abstürzen, ohne die teuren Aufstiegshilfen benutzt zu haben. Ein Geschäftsmodell, das völlig unabhängig vom Klimawandel ist.

Christian Steiner, Hotelier in der Region und einer der beiden Pächter der Almarena, glaubt, dass es tatsächlich Laufkundschaft gibt, die ohne Pistenkontakt direkt beim Après-Angebot landet. Allerdings sei diese Klientel nicht umsatzentscheidend. "Es geht nach wie vor um die Skifahrer. Und die musst du gleich am Ende der Piste mit einem Angebot abfangen. Sonst sind sie beim Parkplatz, steigen ins Auto und sind weg." Es wurde also alles richtig gemacht am Hauser Kaibling: Der Gastrokomplex steht mitten im Zieleinlauf.

Größte Après-Skihütte Europas

Nur einen Skiberg weiter, auf der mit dem Hauser Kaibling verbundenen Planai, befindet sich am Ende des Zielhangs die Hohenhaus-Tenne. Dreimal so groß wie die Almarena ist die Tenne, laut eigenen Angaben sogar die größte Après-Skihütte Europas. Hier singt Antonia aus Tirol nicht aus der Konserve, sondern an manchen Tagen in zwei Schichten live vor der Hütte.

Auch an diesem Betrieb ist Steiner beteiligt. Er sieht aber keinerlei Gefahr der Kannibalisierung beider Angebote: "Das Partyvolk will jeden Abend etwas anderes kennenlernen, und in Wahrheit steht die Region beim Après noch am Anfang." Was in den beiden Hütten an einem Tag umgesetzt wird, behandelt Steiner wie ein Staatsgeheimnis. "An normalen Tagen ohne Event leeren die Gäste in der Almarena 20 bis 30 Fässer Bier", lässt er sich entlocken.

Mahnung im eigenen Skizirkus

In der Trofana-Alm in Ischgl trinkt das Partyvolk an Spitzentagen 100 Fässer. Das hat ein Journalist vom Handelsblatt einmal ausgerechnet, während er dort kellnerte. So viel Bier muss aber auch irgendwann wieder raus aus dem Partyvolk, was selbst Andreas Steibl, Tourismuschef von Ischgl und also Après-Ski-Godfather, schon zu mahnenden Worten gegenüber dem eigenen Après-Skizirkus veranlasste. "Die Betrunkenen pöbeln andere Gäste an, urinieren auf die Straße und übergeben sich in der Öffentlichkeit", sagte er der Tiroler Tageszeitung vor fünf Jahren.

Heute hört sich das alles ganz anders an. "Unsere Gäste sind höchstens angeheitert vom Champagner. Und ein Herr Generaldirektor überlegt sich sehr genau, ob er in die Fußgängerzone brunzt", sagt er dem Standard. Ob das tatsächlich an der gehobenen Gästestruktur liegt, wie Steibl behauptet, oder vielleicht doch eher an den zuletzt verhängten Disziplinierungsmaßnahmen?

Flüsterleise in der Fußgängerzone

Ende 2016 hat der Ort das Tragen von Skischuhen beim Après-Ski verboten – weil die Lärmbelästigung durch das Nachhausewanken in Hartplastik für die Anrainer unerträglich geworden ist. Das Verbot besteht bis heute, auch Geldbußen wurden verhängt. Die Maximalstrafe von 2.000 Euro bezahlte niemand, aber doch etliche Skischuhsünder einen Fünfziger. Heute sei die skischuhfreie Zone von allen akzeptiert, das Après-Ski laufe dadurch besser denn je, sagt Steibl. Und vermutlich tauchen deshalb nicht nur Hansi Hinterseers flüsterleise Fell-Moonboots wieder häufiger im Ortsbild auf. Auch die Randale hat aus Angst vor Konsequenzen abgenommen.

Zuzugeben, dass man gar kein Après-Ski-Angebot hat, traut sich übrigens kaum einer in Österreich, wie eine Recherche auf den Websites der kleinen Skigebiete ergab. Auf der oberösterreichischen Forsteralm etwa existiert nur eine kleine Hütte, die ein paar Häferln Glühwein ausschenkt – aber auch das wird als Après-Ski beworben. Das Gebiet ist bereits jetzt vom Klimawandel bedroht und hätte eigentlich schließen müssen. Thomas Wagner, ein Unternehmer aus der Region, rettete es mit einer Spendenkampagne gerade noch vor dem Aus. Dafür brauchte es nicht einmal ein Zehntel der Investitionssumme von der steirischen Almarena. Übers Après-Ski auf der Forsteralm sagt Wagner: "Noch nie hat einer gemeint, dass es ihm zu laut zugeht. Schon seit Jahren ist es zu ruhig bei uns." Nach der Rettung ist vor der Rettung. (Sascha Aumüller, 13.1.2018)